Nun ist er also vorbei, der mit Spannung erwartete „S-Bahn-Gipfel“. Und nun? Erst einmal geht alles seinen „normalen“ Gang, soll heißen, es gibt weiterhin Verspätungen in den Spitzenstunden, garniert mit unvorgesehenen Ereignissen, wie Signal-, Fahrzeug- oder Weichenstörungen. Man war am Vorabend des Gipfels fast geneigt zu schreiben, dass es vor allem viel politisches Geplänkel, ein wenig Schelte und viel Powerpoint-Folien geben würde. Dazu sicher ein paar Konzepte, die aus dem Hut gezaubert werden. Ja, es lief so ähnlich. Gleich zu Sitzungsbeginn stellte Wirtschaftsdirektor Dr. Jürgen Wurmthaler bereits „Ergebnisse und Zusagen der Verantwortlichen von DB AG und VVS“ vor, die offensichtlich bereits vorab vereinbart worden waren. So wirkte alles schon ziemlich vorgefertigt. Andererseits war es doch gut, dass so konkrete Konzepte sichtbar wurden, an denen sich die Akteure messen lassen wollen. Auch war es erfreulich, dass die DB AG, VRS, VVS und die Regionalfraktionen darin übereinstimmten, dass es so wie jetzt nicht weitergehen könne und etwas getan werden muss, wenn beispielsweise die ausgefallenen Zugkilometer zwischen Januar und August 2013 um ca. 50% höher waren, als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Die Politik und auch der VRS fanden deutliche Worte auch in Richtung DB Netz und DB Regio mit der S-Bahn-Stuttgart. Aber es war doch eine Spur zu nett – im Vergleich zur Schelte in Richtung des Vertreters des Fahrzeugherstellers Bombardier. Es ist leicht, einen Außenstehenden als Buhmann dastehen zu lassen und die meisten Probleme an den neuen S-Bahnen ET 430 festzumachen. Aber diese Züge sind derzeit außer Betrieb und die Störungen sind trotzdem da und daher müssen sich die Verantwortlichen eigentlich selber an die Nase fassen.
Viele Regionalpolitiker haben noch immer keine Lehren aus Stuttgart 21 gezogen und lassen weiterhin eine notwendige Distanz zu einem Konzern vermissen, der es bei der S-Bahn überhaupt so weit hat kommen lassen. Viel zu lange hat man dessen Treiben zugesehen und Kritiker abgekanzelt. Auch bei Stuttgart 21 hat das Gremium viel zu oft den Worten von Konzernvertretern geglaubt oder sich die Situation selber schön interpretiert. Durchtrennte Glasfaserkabel, Störungen durch den Umbau des Zentralstellwerks am Hauptbahnhof oder der Abbau von Zufahrtsgleisen in der S-Bahn-Rampe, welche die Vorboten der Destabilisierung des S-Bahn-Systems waren. All das wurde viel zu unkritisch begleitet, aus Sorge etwas Negatives in Richtung Stuttgart 21 zu sagen. Aber von gewählten Politikern wird mehr verlangt, als nur zu vertrauen. Bürger erwarten, dass ihre gewählten Vertreter mit Wissen gewissenhaft Entscheidungen fällen.
Doch wenigstens beim Gipfel wurde auch mal Klartext gesprochen. So wurde zugegeben, dass fast die Hälfte der Verspätungsminuten baubedingt waren und überhaupt wurde das Wort „Baumaßnahme“ sehr oft in den Mund genommen. Doch Stuttgart 21 will man es nicht nennen. Dazu müssen aber die Verantwortlichen stehen, alles andere wäre unredlich. Wie oft wird doch gerne der Volksentscheid als Legitimation instrumentalisiert. Gleiches gilt auch für Risiken, die bei der S-Bahn lange bekannt waren und ignoriert wurden.
Dass z.B. die automatische Türabfertigung TAV ein Problem für die Stabilität des Fahrplans sein würde, ist dem Gremium durch Aussagen von Fachleuten bereits seit Herbst 2011 bekannt. Was man damals noch lächerlich machte, war ein Jahr später Realität und die Verspätungen blieben bis jetzt. Doch es ist positiv, dass man erkannt hat, dass das zentrale Schließen der Türen durch die Fahrer, wie sie bei den alten S-Bahnen ET 420 üblich sind, helfen kann, die Pünktlichkeit wieder zu erhöhen. Deshalb soll die Zentralschließung auch bei den neuen S-Bahnen ET 423 und ET 430 ermöglicht werden. Tja, nicht immer ist alles Neue gut. Damit wird eine Forderung des VCD umgesetzt werden, die im 15-Punkte-Gesundungs-Programm zu finden war.
Weniger gut ist, dass nun auch wieder die Triebfahrzeugführer in die Pflicht genommen werden sollen, wertvolle Sekunden rauszuschinden – nett umschrieben mit: „Sensibilisierung des Fahrpersonals zur Ausschöpfung von Geschwindigkeitspotenzialen im Zulauf zur Tunnelröhre„. Klingt nett, darf aber nicht dazu führen, dass ein Fahrer in der Eile zu schnell die Türen schließt und Menschen durch Einklemmen gefährdet werden.
Es ist sehr positiv, was an Konzepten vorgelegt wurde, aber es macht stutzig, wenn abstrakte Zahlen in den Raum gestellt werden, wie viele Hundert Relaisgruppen in den Stellwerken ausgetauscht werden. Welcher der Politiker weiß, was eine Relaisgruppe ist und wer weiß, ob das viel ist, oder eben wie hier, für das Stuttgarter Netz ein üblicher und notwendiger Wert, um überhaupt die notwendigsten Maßnahmen vorgenommen zu haben? Mangelnde Instandhaltung darf noch nicht einmal als Verspätungsursache auf der Agenda stehen.
Aufgabenträgerschaft bedeutet u.a. auch Partner kritisch zu beobachten und zu begleiten, selbst wenn man mit ihnen Geschäfte macht. In dieser Geschäftswelt versucht nämlich jeder seinen Gewinn zu optimieren. Das haben die politischen Vertreter zur Kenntnis zu nehmen. Nach diesem Gipfel darf also nicht weiter nur gehätschelt und bagatellisiert werden. Den Worten müssen Taten folgen. Das ist keine Schande, sondern lebensnotwendig, wenn der Regionalverband mit seinen direkt gewählten Vertretern eine echte Daseinsberechtigung haben möchte, denn es gibt außer der S-Bahn ja noch andere raumplanerische Aufgaben. Gerade ein Träger öffentlicher Belange ist gefordert, dafür zu sorgen, dass deren Maxime, das Allgemeinwohl, dabei nicht unter die Räder kommt.
Fazit: Eine Menge an Folien, Worten, guten Ideen und Zusagen stehen im Raum. Doch nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel, denn noch sind die Probleme nicht gelöst und mit Verspätungen ging es gleich am Donnerstag und auch am Freitag weiter. Erst wenn konkrete Verbesserungen erkennbar und spürbar sind, werden wir sehen, welchen Wert die beabsichtigten Lösungsvorschläge haben werden.
Erster Lichtblick: als gestern Abend auf der S6 durch einen Personenunfall Störungen auftraten, wurde auf den Bahnhöfen durch die Tickeranzeige Ort, Grund der Verspätung und auf einen Schienenersatzverkehr hingewiesen. Man merkt, der Schuss wurde gehört und man ist Willens, es gemeinsam besser zu machen.
Wir werden die Entwicklung im Auge behalten und weiter berichten.
Die offiziellen „Gipfel-Beiträge“ der einzelnen Vortragenden können Sie auf der VRS-Webseite Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der S-Bahn nachlesen.