Tatsachenbericht einer genervten Pendlerin zum derzeitigen S-Bahn-Chaos…

Uns erreichte folgende Zuschrift einer genervten Pendlerin, die wir unkommentiert veröffentlichen. 


Datum: 31.10.2023
Verbindung: S1 Stadtmitte Stuttgart -> Ötlingen
Uhrzeit: 16:23 Uhr (Abfahrt laut Fahrplan)

Witterung: regnerisch, windig, kühl

Rahmenbedingungen:

  • Die S1 fährt aufgrund von länger anhaltenden Bauarbeiten nur alle 30 Minuten
  • Es sind Herbstferien
  • Der 1. November ist ein Feiertag
  • Es ist Feierabend-/Ferienbetriebsamkeit, auch aufgrund dessen ist ein erhöhtes Pendler-  bzw. Fahrgastaufkommen zu verzeichnen
  • Der VfB Stuttgart spielt gegen Union Berlin; Anpfiff 18.00 Uhr
  • Ebenfalls aufgrund von Bauarbeiten fährt auch die Stadtbahn das Stadion nicht an, ein Ausweichen auf die S1 ist für viele die genutzte Alternative.

Erlebtes:

  • Mit ca. 20 Minuten Verspätung fährt die S1 – lediglich als Vollzug statt Langzug – an der Haltestelle Stadtmitte ein. Der Zug ist zum Bersten voll, die Ansage des Triebfahrzeugführers lautet “NICHT einsteigen, der Zug ist TOTAL überfüllt“. An ein Fortkommen ist nicht zu denken.
  • Die nächste Bahn fährt ebenfalls mit ca. 20 Minuten Verspätung ein. Diesmal tatsächlich ein Langzug. Leider aber das gleiche Szenario – total überfüllt, die Fahrgäste stehen aneinandergepresst und ohne jeglichen Abstand in den Gängen, die Türen lassen sich kaum schließen. Ansage des Triebfahrzeugführers wieder „NICHT einsteigen, TOTAL überfüllt“. Wieder ist kein Weiterkommen möglich.
  • Bei der nächsten Bahn, die ebenfalls mit ca. 20 Minuten Verspätung eintrifft, sieht es etwas besser aus. Zumindest ist ein Einstieg möglich und man muss sich nicht in die Achselhöhle eines fremden Fahrgastes quetschen. Nach 4 Stationen teilt der Triebfahrzeugführer aber leider überraschend mit, dass diese Bahn heute nur bis Plochingen fahren wird und man dort die nächstmögliche Verbindung Richtung Kirchheim wählen möge. (Freundlich, aber ohne einen Ton des Bedauerns, geschweige denn einer Entschuldigung).
  • Ausstieg in Plochingen – es regnet, ist sehr windig und mittlerweile ungemütlich kalt.
  • Die Ansage am Bahnsteig macht ein erhöhtes Fahrgastaufkommen und eine Verzögerung beim Ein- und Ausstieg für die Verspätung der nächsten Bahn verantwortlich. Unnötig zu erwähnen, dass das nur ein Symptom, nicht aber die Ursache ist.
  • Nach weiteren 25 Minuten Wartezeit fährt eine Bahn ein, die tatsächlich, mit allen Halten, bis Kirchheim fährt.

Ergebnis:

Ca. 3 Stunden nach Verlassen des Arbeitsplatzes (unmittelbar bei der Station Stadtmitte) endlich am Ziel in Ötlingen. Normale Fahrtdauer – laut Fahrplan – ca. 45 Minuten.

Gratis dazu: Eine Erkältungskrankheit (Schnupfen/Corona/ Grippe – noch unklar).

Fazit:

Als Fahrgast und Pendler fragt man sich, ob das alles wahr sein kann/darf, und ob für dieses und ähnliches Chaos, das nun leider sehr häufig vorkommt, irgendjemand die Verantwortung übernimmt und vor allem, ob und wann es jemals wieder besser wird und dieser Pendleralptraum aufhört. Als Pendler hat man TÄGLICH die Chance von entweder einer Weichen-, Stellwerk-, Signal -, Tür- oder Zugstörung betroffen zu sein, oftmals ist es nur eine Frage der Zeit, zu der man unterwegs ist. Man kämpft mit überfüllten Zügen, die zur Hauptverkehrszeit oftmals – warum auch immer – nicht mit voller Behängung fahren, man steht in der Hitze/Kälte, weil die Züge verspätet sind, Züge drehen vor Erreichen des gewünschten Ziels wieder um, es gibt Durchsagen zur Tatsache, dass man aussteigen muss, aber nicht zu den Möglichkeiten des Weiterkommens, angesagte Ersatzbusse fahren nicht oder unzuverlässig, Ansagen erfolgten am Bahnsteig meist dann, wenn ein anderer Zug ein-/oder durchfährt, die mobilen Apps sind oft nicht auf dem aktuellen Stand, oder alle auf einem anderen und verwirren, Anzeigetafeln verweisen wochenlang auf Aushangfahrpläne und geben keine Auskünfte über aktuelle Situationen…(diese Liste könnte fast unendlich weitergeführt werden).

Gefühlt seit Jahren geht es abwärts mit Zuverlässigkeit, Standard, Qualität, Pünktlichkeit und Service während die Preise ständig gestiegen sind. Jetzt gibt es seit Kurzem das 49-Euro-Ticket. Aber kalkuliert man Zeit, Umstände, verpasste Termine, gratis erworbene Erreger und Nerven mit ein, ist selbst dieser Preis, für das, was einem hier geboten wird, noch deutlich zu hoch!!

Es ist eine unglaubliche Zumutung für die Fahrgäste, ein absolutes Armutszeugnis für die Verantwortlichen und für behinderte und mobil eingeschränkte Menschen schlicht ein K.o.!!

8 Gedanken zu „Tatsachenbericht einer genervten Pendlerin zum derzeitigen S-Bahn-Chaos…

  1. Wolfgang Kuebart

    Einmal in der Woche fahre ich Stuttgart – Backnang und zurück. Ich benutze dafür das 49-Euro-Ticket. An Überfüllung litt die Strecke zu meinen Fahrzeiten bisher nicht. Doch habe ich sonst alles erlebt, was der gute Beitrag oben beschrieben hat. Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit, falsche Ansagen, zu Zeiten der Streckensperrungen kam die Unzuverlässigkeit der teilweise einspurigen Umleitungsstrecke über Marbach hinzu. Die Zugzielanzeigen in Backnang? Eine Dauer-Katastrophe. 30% tun gar nicht, 30% zeigen über Monate Dummy-Zugziele an, man weiß oft nicht, wo der Zug wirklich abfährt, manchmal wird kurz vor dem Eintreffen das Gleis gewechselt, mit schwerem Gepäck (Fahrrad) muss man dann nochmal zwei Treppen nehmen, denn der Aufzug ist eine Sparversion, die nur einen Teil des Bahnhofs bedient, wenn die (verpisste) Kabine überhaupt fährt. Doch was bleibt einem übrig, man muss ja mit dem Verkehrsmittel fahren, wenn man nicht aufs Auto umsteigen will. Irgendwie hat man den Eindruck, dass das die Verantwortlichen einkalkulieren, sonst würde sich ja etwas ändern. Unsere Zeit spielt keine Rolle. Bei einem Explosionsschaden im öffentlichen Raum (nicht bei der Bahn, aber durch einen Defekt öffentlicher Versorgung) schrieb mir der für die Entschädigung zuständige HDI, Freizeit sei kein Vermögenswert, infolgedessen wird sie auch nicht entschädigt. Vielleicht gilt das für das Desaster bei der Bahn ebenso, wie auch sonst in der öffentlichen Verwaltung.

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  2. Claudia Maier

    Hallo, ich fahre seit 3 Jahren regelmäßig zu den verschiedensten Zeiten (Schichtdienst) mit der S6 nach Stuttgart und Steige häufig am HBF oder Stadtmitte zu den Zielen: Bad Canstatt / Untertürkheim / Sonnenberg/ Vaihingen oder Möhringen um.
    In einem ist die S-Bahn zuverlässig: die täglich neue Überraschung was die Pendlerin in Ihrem Bericht ausführlich beschrieben hat. Unzuverlässigkeit damit könnte sich die S-Bahn und seit neuesten auch die U-Bahn ein neues Werbefeld aufbauen.
    Es geht mittlerweile so weit, das ich je nach Tageszeit und Fahrziel mindestens 1 Verbindung früher nehme, da aus 40Minuten Fahrzeit, häufig mindestens 1,5 Stunden Fahrzeit und noch mehr werden.

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    1. Christian Glocker

      Liebe Frau Maier,

      was Sie hier beschreiben kann ich nur bestätigen auch die U-Bahnen nehmen sich mittlerweile ein negativ Beispiel an den S-Bahnen, was ich täglich erlebe in Stuttgart, das ist der Wahnsinn. Eines ärgert mich immer ganz besonders, bei der Fahrpreiserhöhung, habe ich noch nie gehört, dass es dort zu Ausfällen oder Störungen usw. kommt. So lange der Service so ist, müssten die Preise gesenkt und nicht erhöht werden. Das zeigt einmal mehr, dass dies mit Service nicht das Geringste zu tun hat. Das Beste ist aber, wenn man anruft so wie ich dies mache beim Kundenservice und sich vielmals dafür bedankt, dass man schon wieder zu spät gekommen ist oder man seinen Termin verpasst hat oder darauf hinweist das im Sommer Frauen häufiger in den Bahnen belästigt werden bekommt man die Antwort beim Kundenservice von den Mitarbeitern ich zitiere: „Sie sind nicht verpflichtet mit uns zu fahren.“ Da kommt man sich verarscht vor, nur zum Zahlen dazu ist man verpflichtet. Entwickelt sich langsam zum Rundfunkbeitrag der ÖPNV in Stuttgart, dass man für nicht Inanspruchnahme bezahlen muss. So ist es auch beim Rundfunkbeitrag, ich habe keinen Fernseher und zahle trotzdem und in Stuttgart zahlt man für Nichtbeförderung oder freche Aussagen, wie das Zitierte.

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  3. Klaudia

    In den USA hat ja bekanntlich die Automobilindustrie früher mal viele (private) Bahnbetriebe aufgekauft und dann schlicht stillgelegt, damit die Menschen keine andere Wahl haben als deren Autos zu kaufen.

    In Deutschland weiß man nicht so genau, ob die Automobilindustrie hierzulande statt der Bahnbetriebe die Politik gekau… äh lobbyiert hat, damit diese die Bahn herunterwirtschaftet, oder ob es sich stattdessen um schlichte politische Inkompetenz handelt.
    Dasselbe frage ich mich bei Stuttgart21 auch.

    Da wir hierzulande bedauerlicherweise auch keine Journalisten mehr haben, die solchen Fragen nachgehen würden, werden wir es wohl leider nie erfahren…

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  4. Max Belgier

    Ich kann diesen Tatsachenbericht nur allzugut nachvollziehen. Zum Glück pendle ich nicht mehr täglich mit der S-Bahn, bin aber zweimal die Woche darauf angewiesen, einen ICE am Hbf zu erwischen. Mit der S3, die ca 10 Monate nur im Halbstundentakt – bzw im Sommer für 10 Wochen überhaupt nicht – gefahren ist, ein Albtraum. Für eine 20-Minuten-Fahrt muss ich inzwischen fast eine Stunde einplanen um immer genug Puffer zu haben. Man kann sich gar nicht ausmalen, wie viel Lebenszeit Tausende von Pendlern Tag für Tag verlieren.

    Ich meine das Folgende nicht beleidigend oder meckernd sondern einfach nur feststellend: Die Verantwortlichen der S-Bahn Stuttgart haben aus meiner Sicht einfach aufgegeben. Die Probleme aus fehlendem Fahrpersonal, komplett abgerockter Infrastruktur und den ganzen Umbauten für S21 und Digitaler Knoten sind für die aktuellen Verantwortlichen schlicht nicht mehr zu stemmen. Was geht, wird gerade irgendwie noch so am Laufen gehalten, immer am oberen Stresslimit für alle Beteiligten mit regelmäßigem Kollaps. Es scheint als wäre jegliche Ambition, eine Dienstleistung erbringen zu wollen, (insbesondere) seit dem Ende der Coronapandemie, verflogen zu sein. Man erfüllt noch gerade so irgendwie halbwegs die vertraglichen Verpflichtungen aber um Kundenzufriedenheit geht es nicht mehr.
    Was wir hier im kleinen Stuttgarter Mikrokosmos sehen, scheint symptomatisch geworden zu sein für dieses Land. Alles scheint irgendwie am oberen Anschlag zu sein.

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  5. Stefan

    Ich nutze die S4 von Montag bis Freitag immer zu der selben Zeit. Seit den Sommerferien hat sich das mit den Verspätungen extrem verschlechtert. Ich habe seither fast keinen Tag erlebt an dem nicht mindestens einer der beiner beiden Züge keine Verspätung hatte oftmals sogar Morgens und Abends.
    Ich frage mich, wie wohl eine Pünktlichkeitsstatistik in Verbindung mit den Fahrganstzahlen aussehen würden. In die Normalen Statistiken fließen ja vermutlich auch die Züge ein die nur wening frequentiert werden. Die sind dann auch meistens pünktlich. Meine Persönliche Statistik dürfte so bei rund 50 % liegen. Ich habe den Vorteil, dass ich weder Morgens noch Abends auf Anschlussverbindungen angewiesen bin, bekomme aber regelmäßig mit, dass Mitreisende wegen der Verspätungen ihre Anschlüsse verpassen und sich die Verspätung dann noch summiert.

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  6. Eike

    Oh, über die hier beschriebene S1 hab ich mich auch geärgert, allerdings ein paar Stationen vorher. Ich wollte eigentlich an diesem Tag die nachfolgende S2 nehmen – lediglich für eine Station, von der Universität bis Schwabstraße. Am Bahnsteig stellte ich fest, dass die verspätete S1 angekündigt wurde, ungefähr in Zeitlage der S2, die ich nehmen wollte – oK, kein Problem, ob S1 oder S2 ist ja Jacke wie Hose… Und dann kam da dieser völlig überfüllte zweiteilige Vollzug rein!
    Man darf nicht vergessen, dass an diesem Tag sowieso wegen Baustelle auf den Linien S1 bis S3 nur ein 30-Minuten-Takt angeboten wurde – wer kommt an solchen Tagen mit ausgedünntem Takt auf die Idee, zu Hauptverkehrszeiten und bei VfB-Spielen KEINE LANGZÜGE (3 Teile) EINZUSETZEN???
    Trotz der Durchsage des Triebfahrzeugführers, man solle bitte nicht einsteigen und den nächsten Zug nehmen, versuchten es (vergeblich) dann natürlich doch ein paar Leute, so dass der Zug an der Station Universität weitere Verspätung bekam.
    Kurz danach fuhr dann die (mittlerweile durch die Verspätung der S1 auch verspätete) S2 ein – immerhin als Langzug. Nachdem alle eingestiegen waren, stand die S-Bahn dann erst einmal. Dann die Durchsage: Türstörung! Woraufhin sich der Aufenthalt an der Station Universität natürlich um weitere 10 Minuten verzögerte (und was die auch im Artikel erwähnte Verspätung der nachfolgenden Züge begründet…). Irgendwann setzen wir uns dann in Schleichfahrt in Bewegung, so dass sich die Verspätung weiter aufbaute.
    Im Ergebnis brauchte ich für die eine Station von der Universität zur Schwabstraße stolze ACHTUNDZWANZIG Minuten (fahrplanmäßig: 6 Minuten) – wäre in der S1 genügend Platz gewesen, hätte ich meine Fahrt vermutlich einigermaßen pünktlich durchführen können… Und dabei kann ich ja echt noch froh sein, dass ich nur innerhalb Stuttgarts unterwegs war, wo es immerhin drei S-Bahnlinien gibt, die auch hier i.d.R. nicht verkürzt fahren (wobei die S3 bei Problemen ja auch gerne mal nur von Backnang bis Cannstatt geführt wird).

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  7. Fritz Baumann

    Lokführerstreik und kurzfristige Streckenarbeiten sorgen für klare Verhältnisse bei der S-Bahn: Keine Verspätungen wegen Signalstörung / Digitalem Knoten / Personen im Gleis / Störungen im Betriebsablauf. Keine Zugausfälle wegen kurzfristiger Erkrankung des Personals / Störung am Fahrzeug / polizeilichen Maßnahmen. Aktuell geht praktisch gar nichts mehr bei Stuttgarts S-Bahn. Und trotzdem: Menschen kommen an ihr Ziel, wissen Alternativen zum SPNV zu nutzen. Könnte die S-Bahn einen besseren Nachweis ihrer Überflüssigkeit erbringen – wenn man auch mit dem Fahrrad (Vorschlag VVS) oder dem Auto gut ankommt? Warum ein kaputtes und ineffizientes System mit weiteren Milliardenbeträgen stützen, wenn Stadtverkehre anders organisiert werden können? Die Stadtgesellschaft ist gefordert, sich mit dem Scheitern des SNPV auseinanderzusetzen und verstärkt auf den Individualverkehr zu setzen. Es muss ja nicht immer das Auto sein.

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