Am Morgen des 1. Juni 2018, einem Freitag und Brückentag, sorgte ein wegen einer technischen Störung zwischen Böblingen und Stuttgart-Rohr liegengebliebener Regional Express (RE) für Verspätungen, Teil- und Komplettausfälle, die bis zum späten Nachmittag andauerten. Die Stuttgarter Zeitung berichtete unter dem Titel Ärgernis S-Bahn – Marathon zum Arbeitsplatz über das damit verbundene Chaos. Insbesondere die teils fehlenden, teils falschen Informationen sorgten für Ärger und Frust bei den betroffenen Fahrgästen.
In diesem Zusammenhang erreichte uns eine E-Mail-Kopie eines Schülers, der an diesem Tag gleich mehrfach von dieser Störung betroffen war und die er mit ein paar berechtigten Fragen an den VVS, die S-Bahn Stuttgart und DB Regio Bus geschickt hatte.
Die E-Mail dokumentiert seine recht unterschiedlichen Erfahrungen mit dem eingerichteten Schienenersatzverkehr (SEV) sehr detailiert:
Sehr geehrte Damen und Herren,
als täglich mit der S-Bahn pendelnder Schüler musste ich auch heute (am 01.06.2018) drei Mal mit der S-Bahn von Böblingen in die Stadt Stuttgart fahren (das vierte Mal wurde ich mit dem Auto gefahren).
Aufgrund eines liegen gebliebenen Regionalzuges zwischen Goldberg und Stgt.-Rohr fuhr die S1 heute ab 7:30 im Schienenersatzverkehr. Dabei lief mal wieder einiges nicht so, wie man es als Fahrgast gerne hätte.
Morgens (gegen 9:00 Uhr) war am Bahnhof Vaihingen keinerlei Information zu den Anschlüssen. In der S1 hatten die Bildschirme zwar schon bekanntgegeben, dass dieser Zug in Stuttgart Vaihingen enden würde, jedoch hieß es sowohl in der Ansage, als auch am Zielschild der S-Bahn (orangenes Laufband), dass Herrenberg das Ziel der Fahrt sei. Nachdem endlich der Fahrer eine Durchsage gemacht hatte, war klar, dass die Fahrt in Vaihingen enden würde. Die Störungsmeldung in der VVS-App war völlig unzureichend. So hieß es schlicht „Ein Busnotverkehr wird eingerichtet“. Bekannt war weder, wann und wo der Ersatzverkehr abfahren würde, noch wo er halten würde. Die Information an den LCD-Anzeigen war da schon besser: Hier hieß es, die Busse würden nicht in Stgt.-Rohr halten.
Für Fremde ist solch eine Meldung in der offiziellen VVS-App sehr irreführend, denn niemand, der nicht die Gegend sehr gut kennt, weiß, dass die Busse wohl (wie es nachher auch war) über die Autobahn nach Böblingen fahren und damit nicht in Rohr halten werden.
Nachdem endlich nach langem (20 Minuten) Warten in Vaihingen irgendwann zwei Reisebusse ohne Zielschild, einer der Firma „Weiß und Nesch“ und der andere in den Farben eines Shoppingcenter lackierter Bus der Firma „Spillmann“, ankamen und ein völlig uninformierter Busfahrer brüllte, dass dieser Bus nach Böblingen fahren würde, stiegen die vielen Fahrgäste in die Busse ein. Die Busse hatten weder ein Zahlgerät, noch Zielschild oder Ansagen. Ein behindertengerechter Einstieg war ebenfalls nicht vorhanden. Dass bei einem so plötzlichen Schienenersatzverkehr nicht die modernsten Niederflurbusse fahren können, ist klar. Doch einen Hublift (der z.B. bei der Firma Postbus (Österreich) zur Standardausstattung gehört) und Zielanzeigen sollte es auch bei einem Überlandlinienbus im SEV geben.
Die Busse waren völlig überfüllt. Fast alle mussten stehen. Der Bus fuhr dann ungeachtet der stehenden Fahrgäste mit enormer Geschwindigkeit auf die Autobahn. Der Halt Goldberg wurde ohne Ansage oder irgendeinen Kommentar ausgelassen, obwohl dieser laut der Bahnhofsanzeige in Stgt.-Vaihingen dort halten müsste.
Bei der Rückfahrt aus Böblingen hieß es, dass ein Intercity (Abfahrt 10:22 in Böblingen) nach Stuttgart fahren würde. Dieser Zug war aber so überfüllt, dass gar nicht alle Fahrgäste mitgenommen werden konnten. Wann und wo der nächste Schienenersatzverkehr fahren würde, war unklar. Die DB-Anzeige vor dem Bahnhof Böblingen zeigte richtig an, dass die S-Bahn um 10:30 ausfallen würde und die S-Bahn nach Herrenberg abweichend am Bahnsteig 3 bereitgestellt ist. Die Anzeige des VVS in der Unterführung zeigt jedoch an, dass alles regulär fahren würde. Auch die S1 nach Kirchheim und alle anderen Züge würden fahren. Das Echtzeitdatensymbol und eine prognostizierte Verspätung für die S1 nach Kirchheim (T) gaukelten den Fahrgästen Aktualität der Informationen vor.
Nachdem endlich um 10:35 ein Bus am Bussteig 11, an dem keine Information zu irgendwelchen SEV gegeben war, gekommen war, mussten alle in diesen Bus einsteigen, der ebenfalls völlig überfüllt war.
Hier jedoch ein großes Lob an den Regiobus Stuttgart: Der Bus (ein Citaro-Niederflur-Gelenkbus) hatte eine perfekte Zielanzeige (SEV Schienenersatz S-Vaihingen). Dieser fuhr dann auch regulär über Goldberg. Auch der Fahrer war sehr bemüht um den sicheren und schnellen Transport der Fahrgäste und konnte sogar Auskunft über Anschlüsse und die aktuelle Betriebslage geben. Auch machte er die Fahrgäste freundlich und höflich auf Alternativen aufmerksam. Danke!
Nun habe ich vier konkrete Fragen an den VVS und DB-Regio:
- Warum werden beim Schienenersatzverkehr völlig ungeeignete Busse ohne Zielanzeige, die nicht mal als Linienbusse erkennbar sind, bei denen der Fahrer keine Informationen weitergeben kann, eingesetzt?
- Warum wird bei der Fahrplanauskunft (DB und EFA-VVS, die übrigens unterschiedliches anzeigten) der Schienenersatzverkehr nicht angezeigt? (Ich bekam von Böblingen den Vorschlag über Maichingen und Universität (Bus 749) zu fahren (Dauer >1h))
- Warum werden in Böblingen neue Monitore installiert, wenn diese völlig falsche Informationen anzeigen?
- Warum ist es nicht möglich, die Fahrgäste so zu informieren, dass auch nicht jeden Tag mit der S-Bahn fahrende Reisende, die sich jahrelang mit der S-Bahn auseinandergesetzt haben, sich auskennen?
In der Hoffnung, dass das nächstes Mal besser klappt, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen,
Hosea Winter
Wir waren sehr gespannt auf die Antworten auf dieses Schreiben. Am 5. Juni, dem 2. Werktag nach der Störung kam die Antwort vom VVS, die zwar nicht alle gestellten Fragen beantwortete, aber doch recht individuell gehalten war. Hier eine kurze Zusammenfassung:
Nach der obligatorischen Entschuldigung für die Störung und den damit verbundenen Unannehmlichkeiten wurde versichert, dass die Bahn in solchen Störungsfällen alle Anstrengungen unternimmt, um die Auswirkungen für die betroffenen Fahrgäste zu minimieren und es wurden Tipps gegeben, welche alternativen Fahrmöglichkeiten in diesem Fall bestanden.
Bezüglich der mangelhaften Information während der Störung wurde auf die Bahn verwiesen, die im Störungsfall dazu verpflichtet ist, die Informationen über die Störung und getroffene Maßnahmen wie z.B. einen SEV über die üblichen Informationskanäle zu streuen. Insbesondere bei der Synchronität der über verschiedene Wege bereitgestellten Informationen (Anzeigen, Durchsagen, Internet, Apps) kommt es leider immer wieder zu Problemen.
Bezüglich dem SEV mit Bussen wurde um Verständnis geworben, dass ein kurzfristig organisierter SEV mit Bussen nie die Kapazität und Qualität der S-Bahn erreichen kann, sondern immer nur eine Notlösung darstellt, die aber immer noch wesentlich besser ist, als den Betrieb komplett einzustellen.
[spoiler title=’Klicken Sie hier um die komplette Original-Antwort des VVS zu lesen‘ style=’orange‘ collapse_link=’true‘]Sehr geehrter Herr Winter,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 01.06.2018.
Ihren Ärger über Ausfälle, Verspätungen und mangelnde Information am Freitag 1. Juni 2018 können wir gut nachvollziehen. Auch wir nutzen regelmäßig unsere Bahnen und Busse. Wenn Sie mit den Dienstleistungen der Verkehrsunternehmen nicht zufrieden waren, möchten wir uns bei Ihnen entschuldigen. Gerne haben wir aber auch Ihr Lob zum Verkehrsunternehmen DB Bahn Regiobus Stuttgart gelesen. Vielen Dank.
Die Bahn unternimmt alles, um die Einschränkungen für die Fahrgäste bei Betriebsstörungen so gering wie irgend möglich zu halten. Geschulte erfahrene Notfall- und Infomanager setzen vorhandene Not- und Ersatzfallpläne in Kraft. An allererster Stelle steht jedoch ein sicherer Betrieb. Bis dies sichergestellt ist, kann eine gewisse Zeit vergehen, die den Fahrgästen in der Bahn und den wartenden Fahrgästen auf den Bahnsteigen oft „wie eine Ewigkeit“ vorkommt. Dies ist durchaus nachvollziehbar. Bei einer Störung im Bereich Goldberg – Rohr kann der Fern- und Regionalverkehr teils über Renningen – je nach Betriebslage – umgeleitet werden. Und Fahrgäste von und nach Böblingen werden gebeten, die S60 zu nutzen. Auch die Buslinie 84 ab Sindelfingen nach Vaihingen und Universität stellt eine Ausweichfahrtmöglichkeit dar – ergänzt durch die Linien 748 Sindelfingen – Universität und 746 Magstadt – Universität. Leider ist der höhere Zeitaufwand für die alternative Strecke unvermeidbar.
Da bei der Bahn zuerst bekannt ist, wann welche Bahn oder wann welcher Ersatzverkehr fährt, obliegt es der Bahn alle Informationenkanäle wie z.B. die App und Anzeigentafeln zu nutzen, um die Fahrgäste zeitnah und zuverlässig zu informieren. Da sich die Betriebslage kurzfristig ändern kann – es kam noch zu einer Stellwerkstörung – und die Verteilung der Informationen auch Zeit benötigt, können manche Informationen bereits überholt sein oder sich dem Fahrgast als falsch wiederspiegeln. Eine synchrone Kommunikation DB-Fahrplanauskunft und EFA-VVS kann derzeit leider nicht immer gewährleistet werden. Da Sie die S-Bahn Stuttgart direkt angeschrieben haben, werden Sie sicherlich zu dem Thema Information noch im Detail besonders informiert.
Abschließend gestatten Sie ein ehrliches Wort zum SEV: Es ist verständlich, wenn die Kunden eine gute Information vor Ort und die Organisation eines (Schienen)-Ersatzverkehrs (SEV) erwarten. Nur sollte man hier realistisch sein. In der Hauptverkehrszeit sitzen in einer einzigen S-Bahn 500-600 Menschen, teilweise mehr. Für den Ersatz dieser einen einzigen S-Bahn bräuchte man rund 8 Busse. Wo sollen die realistischerweise innerhalb kürzester Zeit herkommen? Zumal ja nicht eine, sondern zahlreiche S-Bahn-Züge und zusätzlich Regionalzüge betroffen waren. Die Busse werden in den Hauptverkehrszeiten üblicherweise auf ihren eigenen Linien gebraucht. Niemand kann für jeden Eventualfall so viele Busse einfach vorhalten und mit Fahrer besetzen. Auch ist es gerade bei einer technischen Störung sehr schwierig vorauszusehen wie lange die Störung andauert. Sicher ist das nicht befriedigend, aber ehrlich. Auch hierzu wird Ihnen sicher der Kundendialog der S-Bahn aussagekräftig antworten.
Jeder Eisenbahner, jeder Beteiligte gibt täglich aufs Neue sein Bestes, um die Fahrgäste pünktlich an Ihr Fahrtziel zu bringen, was allgemein auch gut gelingt. Alle sind sich ihrer wichtigen Aufgabe im Interesse der Fahrgäste und Bürger bewusst. Der Aufgabenträger und der VVS wirken regelmäßig auf die Bahn ein, für einen zuverlässigen und pünktlichen Bahnverkehr sowie für umfassende und rechtzeitige Informationen besonders im Störungsfall Sorge zu tragen.
Wir würden uns freuen, wenn Sie auch in Zukunft die sicheren und umweltfreundlichen VVS-Verkehrsmittel nutzen würden – bei hoffentlich verbesserter Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit.
Mit freundlichen Grüßen
… …
VVS Kundenservice – Abteilung Tarif[/spoiler]
Bis zum 19. Juni dauerte es, bis eine Antwort von der Deutschen Bahn eintrudelte. Sie war recht knapp gehalten, ging nicht konkret auf die gestellten Fragen ein und verwies stattdessen auf eine Telefonnummer, über die man kostenpflichtig (!) weitere Fragen und Anregungen loswerden kann. Aber lesen Sie selbst …
[spoiler title=’Klicken Sie hier um die komplette Original-Antwort der Deutschen Bahn zu lesen‘ style=’orange‘ collapse_link=’true‘]Sehr geehrter Herr Winter,
vielen Dank für Ihre E-Mail und Ihr ausführliches Feedback.
Auf Grund des liegengebliebenen Regiozuges musste recht kurzfristig ein Schienenersatzverkehr mit Bussen organisiert werden. Durch die angefragten Busunternehmen konnten leider nicht die modernsten Fahrzeuge gestellt werden. Diese waren alle im Linienverkehr eingesetzt. Die eingesetzten Busfahrer sind keine Bahner und wurden vom Busunternehmen kurz und knapp instruiert zu fahren.
Sehr geehrter Herr Winter, ich bedauere, dass wir Sie in der von Ihnen geschilderten Situation, nicht mit den Informationen versorgen konnten, die Sie in diesem Moment benötigt hätten.
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind immer bemüht für alle Reisenden die Weiterreise zu organisieren und sie bestmöglich zu betreuen. Ungewöhnliche Situationen im Bahnverkehr sind jedoch geprägt von raschen Veränderungen und schnellen Entscheidungen. Daher kann eine Information, die Ihnen eben gegeben wurde, bereits im nächsten Augenblick ihre Aktualität verloren haben.
Dennoch werden wir unsere Mitarbeiter darauf hinweisen, die Reisenden durchgängig über die Entwicklung auf dem Laufenden zu halten.
Wenn Sie weitere Fragen oder Anregungen zu Ihrem Nahverkehr in der Region haben, können Sie uns gern anrufen. Sie erreichen uns unter 0180 6 99 66 33 (20 ct/Anruf aus dem Festnetz, Tarif bei Mobilfunk max. 60 ct/Anruf) täglich rund um die Uhr. Nennen Sie bitte nach der telefonischen Begrüßung das Stichwort „Regio“ oder drücken Sie die 22.
Wir helfen Ihnen gern weiter!
Mit freundlichen Grüßen
… …[/spoiler]
Die bessere Frage wäre: Warum kann ein liegengebliebener RE Stundenlang die Strecke blockieren? Hat man keine Reserven um ihn abzuschleppen? Zumindest aus dem Weg zu ziehen?
Die Frage ist auch:
Wenn auf einem Gleis der Gäubahn zw. Rohr und Böblingen ein Zug liegenbleibt, kann die S-Bahn doch teilweise trotzdem fahren. Beispiel: Der Zug, der in Böblingen jede 2. Stunde um :11 abfährt (Züricher IC) ist in Rohr ca. um :18. Dann kommt um :15 die S-Bahn und um :22 der RE/IC2 aus Horb. Die Züge sind erfahrungsgemäß spätestens um :30 in Rohr vorbei. Dann könnte um :31 der RE an Rohr vorbei fahren (Ankunft in BB um :38) und um :41 (Ankunft in BB um :48) der IC nach Zürich (nur alle 2h). Dazwischen wäre (ja auch im Regelbetrieb) Platz für die S1 (Ankunft in BB um :45), oder?
Ich weiß zwar nicht, wo der RE stand, aber kurz nach Rohr und kurz vor BB gibt es Weichen, um die Gleise zu wechseln.
Wenn man dann die Zeit für die Dispositionsentscheidungen dazurechnet, könnte man ja auch den IC evtl. über Renningen/Leonberg umleiten.
Auch wenn man dann einzelne Züge evtl. umleiten müsste, müsste man nicht die ganze S-Bahn stillegen und könnte einen 30-Minuten-Takt fahren… Das sind natürlich alles nur Spekulationen, die DB wird da hoffentlich schon die beste Lösung rausgesucht haben.
Um den Zug zu bergen, musste an ihm gearbeitet werden, auch von außerhalb. Aus Sicherheitsgründen wird in so einem Fall auch das Gegengleis gesperrt. Deshalb war die Strecke dann komplett nicht befahrbar.
Nach dem VVS hat nun auch die Deutsche Bahn auf die E-Mail zur Störung bei Böblingen am 1. Juni geantwortet. Beide Antworten würden an den Beitrag angefügt.