Das Ersatzkonzept im ersten Teil der Sommerferien – ein Erfolg?

Die Bahn hat in den kürzlich zu Ende gegangenen Sommerferien begonnen, die S-Bahnstrecke Hauptbahnhof – Stuttgart-Vaihingen umfassend zu renovieren und zu modernisieren, was im Sommer 2022 und 2023 mit gleicher Dauer fortgeführt werden soll. Alle beteiligten Verkehrsunternehmen, voran die S-Bahn Stuttgart, hatten sich auf die Sperrung der S-Bahnstrecke intensiv vorbereitet. Mit den Linien S12, S15, S23 und S30 wurden zusätzliche S-Bahnlinien eingerichtet, mit mehreren Buslinien wurde Schienenersatzverkehr (SEV) angeboten, die Stadtbahn unterstützte mit der in den Hauptverkehrszeiten nach Vaihingen verlängerten U34, um den Verkehr von Vaihingen nach Stuttgart-Mitte so gut wie möglich am Laufen zu halten. Die Expressbuslinie X60 wurde verdoppelt, sodass in der HVZ ein Viertelstundentakt zwischen der Universität und Leonberg angeboten werden konnte.

Alles in allem erscheint das umfangreiche Ersatzverkehrsangebot durchdacht. Wir haben darüber vor Beginn der Sperrung ausführlich berichtet. Mit Ende der Sommerferien 2021 ist die erste der drei Etappen abgeschlossen worden.

Schienenersatzverkehr SEV1 am Hauptbahnhof

Zunächst ist festzustellen, dass das Ersatzkonzept während der ersten Hälfte der Sperrungen, die wir in diesem Beitrag beleuchten wollen, gut funktioniert hat.

Im zweiten Teil der Sommerferien kam es aufgrund der Lokführerstreiks und der Sperrung der Gäubahn-Panoramastrecke für S-Bahnzüge zu großen Problemen und Einschränkungen, auf die wir in einem weiteren Beitrag eingehen werden.

Das Angebot der S-Bahn in der ersten Hälfte, das auf einigen Außenästen sogar einen Viertelstundentakt beinhaltet hatte, hat vergleichsweise störungsfrei und pünktlich funktioniert. Einzig auf der Linie S1 gab es regelmäßig Verspätungen von bis zu 10 Minuten, da die Wendezeit am Hauptbahnhof (oben) mit 4 Minuten vergleichsweise knapp dimensioniert war und die Fahrzeit von 13 Minuten über die Panoramastrecke von Vaihingen zum Hauptbahnhof nur bei sehr flüssigem Durchkommen im Gleisvorfeld funktioniert hat.
Auf der Linie S23 hingegen waren die Züge großteils recht pünktlich unterwegs, bekamen sie im Vergleich zum Regelfahrplan auch einen Zeitpuffer von 10 Minuten zwischen Vaihingen und Bad Cannstatt mit auf den Weg, der kleinere Verspätungen vor den dicht befahrenen Gleisen 1-5 am Hauptbahnhof, die während der Sperrung exklusiv der S-Bahn zur Verfügung standen, ausgleichen konnte.

Bei einigen Testfahrten in den betroffenen Streckenabschnitten, sowie einer Erkundung der Schienenersatzverkehre fielen uns einige Punkte negativ und positiv auf.
Zunächst möchten wir unsere Erfahrungen die S-Bahn betreffend schildern:

  • Die Abfahrtsgleise der S-Bahnen am Hauptbahnhof waren sowohl vor Ort als auch in den Auskunftsmedien richtig und zuverlässig verzeichnet und die Wegeführung am Hauptbahnhof von der S-Bahn zu den Ersatzbussen durch gelbe Linien klar gekennzeichnet.
  • In Vaihingen gab es unzureichende Information zu den geänderten Abfahrtsgleisen. So fuhr die S23 Richtung Filderstadt anders als im Regelfahrplan von Gleis 1 ab, ohne dass Fahrgäste eine ausreichende Information bekamen. Durch diverse Bauzüge und andere außerplanmäßigen Ereignisse kam es bei den Zügen Richtung Stuttgart (S1, S15 und S23) sowie der S30 Richtung Flughafen sehr regelmäßig zu außerplanmäßigen Gleiswechseln, unter anderem auch auf das nicht barrierefrei zugängliche Gleis 4, die unzureichend oder teilweise gar nicht verkündet wurden und nicht bzw. falsch in den elektronischen Auskunftsmedien verzeichnet waren.

    Eine S-Bahn (Baustellenlinie S30 Vaihingen – Flughafen) hält in Vaihingen am nicht barrierefrei erreichbaren Gleis 4 statt wie vorgesehen am Gleis 2

  • Die Züge der Linie S15 blieben im Abzweig von der Gäubahn auf die Strecke nach Feuerbach planmäßig in der Kurve 8 Minuten stehen, ohne dass eine automatische Ansage kam, was Fahrgäste ohne Fahrplan- und Netzkenntnis verwirren konnte. Die Triebfahrzeugführer informierten hier nur sporadisch.
  • Auf vielen Bahnsteigen der S-Bahn waren Auskunftspersonen in Warnwesten zugegen, teilweise sehr engagiert, aber teilweise auch nur eingeschränkt auskunftsfähig oder auch mit Sprachproblemen.
  • Die Bahnsteiganzeigen an einigen Stationen, unter anderem in Vaihingen und Zuffenhausen, zeigten verschiedentlich „Bitte Aushangfahrplan beachten“. Auch ein Geübter konnte diesen z. B. auf Bahnsteig 2 in Vaihingen kaum finden: dort stehen 4 – 5 Schaukästen mit bunter Werbung und Tarifplakat, einer davon enthält in A4 Hochformat den Fahrplan für die S30, der aufgrund seiner sehr zurückhaltenden Schrift und Farbgebung regelrecht untergeht.
    An einigen Stationen, wie beispielsweise Rohr, hingen noch veraltete Aushangfahrpläne mit Fahrtroute durch den Stammtunnel, was so für besondere Verwirrung gesorgt hat.
  • Bei so vielen Änderungen gegenüber dem Normalverkehr sind zusätzliche Durchsagen im Zug besonders wichtig. Diese waren jedoch überwiegend mangelhaft und zeigten, dass das S-Bahnfahrpersonal, verständlicherweise natürlich keine Sprachprofis, auf gute Ansagen kaum vorbereitet ist. Inakzeptabel ist, dass in vier von fünf benutzten Zügen die Sonderdurchsagen des Triebfahrzeugführers schlicht kaum zu hören waren, selbst die Standarddurchsagen vor allem in den Zügen der Baureihe 423 waren verschiedentlich kaum zu verstehen. Hier muss bessere Kontrolle und Wartung, evtl. auch Schulung erfolgen.

Kommen wir nun zum Schienenersatzverkehr mit den beiden Buslinien SEV1 (Stuttgart Hbf – Universität) und SEV2 (Universität – Vaihingen).

  • Der SEV1, der komplett von den DB-Unternehmen Regionalverkehr Alb-Bodensee (RAB) und Friedrich-Müller-Omnibus (FMO) betrieben wurde (einige Busse wurden dafür auch angemietet), fuhr mit Gelenkfahrzeugen, die allesamt barrierefrei waren. Ein Großteil der Busse genügte sogar der relativ strengen Abgasnorm Euro 6, einige ältere Fahrzeuge machten ebenfalls einen anständigen Eindruck.
  • Auf dem SEV2 kamen verschiedene Gelenkbusse, vornehmlich solche ab Baujahr 2007, also Abgasnorm Euro 5, des Stuttgarter Unternehmens „der kleine Stuttgarter“ zum Einsatz. Ab der zweiten Sommerhälfte fuhren zusätzlich auch Busse der oben genannten DB-Unternehmen. Auch hier waren alle Busse barrierefrei, wenn auch nicht ganz so modern.
  • Der sonntägliche komplette Wegfall der Linie SEV2 war aus unserer

    SEV-Haltestelle an der Stadtmitte

    Sicht unverständlich und falsch, da somit nur alle 20-30 Minuten eine direkte Fahrmöglichkeit von der Universität nach Vaihingen bestand.
    Immerhin wurde nach diversen Problemen bei der S-Bahn in der zweiten Sommerferienhälfte (dazu in einem anderen Beitrag mehr) diese Linie auch sonntags eingeführt.

  • An den Haltestellen in der Innenstadt (Hauptbahnhof bis Schwabstraße) waren die SEV-Haltestellen recht gut zu finden. Die gelben Linien waren verständlich und sinnvoll angebracht. Auch die auffälligen SEV-Haltestellenmasten mit den Aushangfahrplänen waren sinnvoll.
    Einzig an der Stadtmitte bescherte die große Entfernung der SEV-Haltestellen der beiden Richtungen Probleme, die allerdings wohl nur schwer zu lösen sind.
  • An der Universität, in Österfeld und am Vaihinger Bahnhof waren die SEV-Halte für die meisten jedoch nur schwer oder nach Auskunft zu finden. Gerade an der Universität waren die getrennten Abfahrtspositionen von SEV1 und SEV2 missverständlich, zumal dort einige Busfahrer an der falschen Haltestellen aus- und einstiegen ließen.
  • Die Anzeigen der SEV-Busse waren außen und innen mangelhaft. So wurde außen teilweise nur „DB Schienenersatzverkehr“ ohne Zielangabe, teils Betriebsfahrt und teilweise nur „SEV“ ohne Liniennummer angezeigt. Innen gab es zwar immer Bildschirme oder Lauftextanzeiger, die jedoch teilweise ausgeschaltet waren oder falsche Informationen anzeigten. Am häufigsten war die Linienangabe 9944, wohl eine interne Bezeichnung für den SEV1.
    Oftmals waren die Haltestellennamen an den Anzeigen abgeschnitten, auch bedingt durch die verzichtbare Angabe der Mastnummern der Haltestellen.
  • Auf dem SEV2 gab es einige Fahrzeuge mit korrekter und vorbildlicher Beschilderung, vor allem solche des „kleinen Stuttgarters“. Andere Fahrzeuge hatten hingegen überhaupt keine digitalen Anzeigen, sodass mit viel zu kleinen und fast unlesbaren Papierschildern ausgeholfen werden musste. Auch innen gab es in diesen Bussen keine oder fehlerhafte Anzeigen.
  • Alle Busse hatten keine Echtzeitdaten!
    Dies war insofern sehr schlecht, als gerade im Stadtverkehr einige Verspätungen und durch den 5-Minuten-Takt bedingte Rudelbildungen von Bussen nicht in den Auskunftsmedien verzeichnet waren. An den SSB-Anzeigen fehlten die Busse gänzlich, sodass an Haltestellen mit SSB und SEV-Verkehr zwar die digitalen Anzeigen die regulären SSB-Linien, jedoch nicht den Schienenersatzverkehr anzeigten.
    Am Hauptbahnhof hingegen wurde die Planabfahrtszeiten der SEV1-Busse angezeigt, was bei Verspätungen dazu geführt hat, dass Busse, die noch nicht gekommen waren, einfach von der Anzeige verschwunden sind.

Ein Fazit des ersten Teils der Ersatzverkehre zu ziehen ist schwierig, umso mehr aufgrund des schwierigen zweiten Teils, zu dem wir in einem gesonderten Beitrag kommen werden. Festzuhalten ist, dass das S-Bahn-Konzept mit den diversen Ersatzlinien den Umständen entsprechend gut funktioniert hat.

Aber natürlich ist viel nachzubessern. Und so bleibt zu hoffen, dass es in den nächsten beiden Jahren besser läuft, als in diesem. Einiges Wissen dürfte man ja nun angesammelt haben.

2 Gedanken zu „Das Ersatzkonzept im ersten Teil der Sommerferien – ein Erfolg?

  1. WolfgangK

    Hut ab für diese ausführliche Analyse.

    Wie immer hätte ein deutlicher Seitenhieb darauf, wie man so etwas ohne Panoramabahn (man sieht ja aus dem 2. Teil, wozu das führt) und ohne 5 Gleise Kopfbahnhof bewerkstelligen wollte, noch eingebaut werden können, vor allem in das Fazit. Aber vielleicht habe ich es in der Eile des Gefechts überlesen?

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    1. Hosea Winter Beitragsautor

      Guten Morgen,

      Danke für ihren freundlichen Kommentar. Den Hinweis auf die fatalen Folgen einer möglichen Sperrung der Panoramabahn wird es im zweiten Teil geben, da wir dann das Ersatzkonzept mit den Doppelstockzügen bewerten möchten und in diesem Zusammenhang auf die Probleme bei einer Sperrung eingehen werden.

      Freundliche Grüße,
      Hosea vom SBC-Team

      Antworten

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