Seit dem 3.12.2014 – also mittlerweile seit 10 ½ Monaten – ist unser Ausfallwarner in Betrieb, der sowohl prognostizierte vorzeitige Wenden als auch Komplettausfälle einzelner S-Bahnen twittert. In dieser Zeit hat er insgesamt 1.640 vorzeitige Wenden und 2.348 Komplettausfälle gemeldet (Stand 18.10.2015). In diesem Beitrag wollen wir uns mit den vorzeitigen Wenden auseinandersetzen, die Komplettausfälle sind das Thema eines Folgebeitrags.
Die einzelnen Linien waren in dem Zeitraum wie folgt von vorzeitigen Wenden betroffen:
Linie | Vorzeitige Wenden |
S1 | 294 |
S2 | 260 |
S3 | 295 |
S4 | 248 |
S5 | 187 |
S6/60 | 356 |
Summe | 1640 |
Vorzeitige Wenden werden bei Streckensperrungen, aber auch bei großen Verspätungen durchgeführt. Dadurch soll verhindert werden, dass der anschließend zurückfahrende Zug von Anfang an verspätet ist oder es soll dessen Verspätung zumindest reduziert werden. Für die Fahrgäste, deren Ziel hinter dem Wendebahnhof liegt, ist eine vorzeitige Wende gleichbedeutend mit einem Ausfall. Sie müssen auf den nächsten Zug warten, der hoffentlich nicht ebenfalls verspätet ist und vorzeitig gewendet wird. Besonders ärgerlich ist dies auf den Strecken, auf denen nur eine S-Bahn-Linie verkehrt und bei denen es auch keine Alternative, z.B. eine Regionalbahn zum Ziel gibt. So wird z.B. die S2 in Richtung Schorndorf des öfteren bereits in Grunbach gewendet. Die Fahrgäste nach Geradstetten, Winterbach, Weiler oder Schorndorf müssen dann auf die nächste dorthin verkehrende S-Bahn warten, da Grunbach kein Regionalhalt ist oder sie müssen mit dem Taxi fahren oder sich in Grunbach abholen lassen. Die Wenden in Grunbach haben übrigens den Zeitungsverlag Waiblingen zu einem sarkastischen Artikel mit dem Titel Wie eine S-Bahn verschwindet veranlasst.
Für den Fall größerer Verspätungen gibt es für VVS-Zeitkartenbesitzer übrigens eine Entschädigungsregelung. Sie nennt sich Mobilitätsgarantie und ist unter §16 der VVS-Beförderungsbedingungen zu finden.
Aktuell besteht die Hoffnung, dass die Ende 2014 beschlossene Beschaffung von zehn neuen S-Bahn-Fahrzeugen die Situation zumindest etwas verbessern wird. Diese sollen laut Verband Region Stuttgart vornehmlich an den Endhaltestellen in Schorndorf, Weil der Stadt, Filderstadt und Vaihingen bereitgestellt werden, um dort sogenannte „Überschlagene Wenden“ zu ermöglichen. Hierbei wartet bei der Ankunft eines S-Bahnzugs an der Endhaltestelle ein Zug schon abfahrbereit auf einem 2. Gleis, wodurch ein signifikanter Verspätungsabbau möglich wird.
Aus den nachfolgenden Tortendiagrammen gehen die Zahlen der einzelnen Linien getrennt nach Wendebahnhof hervor. Verwenden Sie die Navigation um direkt zu einer bestimmten Linie zu gelangen.
Hinweise:
- Bitte beachten Sie, dass diese Maßnahmen zu irgendeinem Zeitpunkt auf den Fahrplanseiten der DB zwar gemeldet und daraufhin getwittert wurden, ob sie tatsächlich so stattgefunden haben, kann nicht mehr festgestellt werden, da die DB ihre Daten nicht komplett öffentlich kommuniziert. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass zumindest die Größenordnung richtig ist.
- Bei den vorzeitigen Wenden wird nicht unterschieden, aus welcher Richtung der Zug ursprünglich kam.
- Wendestationen, die nur einmal benutzt wurden, wurden in den Tortendiagrammen aus Darstellungsgründen nicht aufgenommen, Daher können die Gesamtsummen etwas größer als die Summen aus den einzelnen Tortenstücken sein.
Navigation: S1 | S2 | S3 | S4 | S5 | S6/60
Die meisten vorzeitigen Wenden finden in Plochingen statt. Wenn nicht gerade eine Streckensperrung von Plochingen Richtung Stuttgart vorliegt und die Bahnen aus Kirchheim (Teck) bereits in Plochingen wenden müssen, ist davon auszugehen, dass der Löwenanteil dieser S1 aus Richtung Stuttgart kommen und dorthin zurückfahren. Die Fahrgäste nach Wendlingen können event. ersatzweise in einen Regionalzug Richtung Tübingen umsteigen, diejenigen Richtung Kirchheim und event. von dort weiter mit dem Bus oder der Teckbahn ins Lenninger Tal müssen dann leider in Plochingen auf die nächste in Richtung Kirchheim verkehrende S-Bahn warten. ↑Zurück zur Navigation
Bei den vorzeitigen Wenden der S2 hat Grunbach eindeutig die Nase vorn. Der übliche Grund hierfür dürfte die, für so eine ‚lange‘ Linie wie die S2, mit nur 8 min viel zu kurze Wendezeit in Schorndorf zu sein. Die reine Fahrtzeit von Grunbach nach Schorndorf und zurück beträgt 2 x 10 min, also mehr als der Zugabstand in der HVZ. Außerdem ist die Strecke eine Mischverkehrsstrecke, die auch noch alle 30 min pro Richtung einen Regionalzug und gelegentlich auch noch Güterzüge aufnehmen muss. Daher scheint die Bereitschaft des Disponenten recht groß, einen verspäteten Zug frühzeitig bereits in Grunbach zu wenden. ↑Zurück zur Navigation
Die vorzeitigen Wenden in Bad Cannstatt (und auch Vaihingen) sind meist eine Folge des Standard-Notfallplans bei Ausfall der Stammstrecke, bei der die S3 nur noch zwischen Backnang und Bad Cannstatt bzw. event. auch noch zwischen Flughafen/Messe und Vaihingen pendelt. ↑Zurück zur Navigation
Die Wendestationen der S4 sind ziemlich heterogen, wobei in Marbach die meisten Züge wenden. Aber auch in Stuttgart Nord wenden demzufolge ziemlich viele, vermutlich um die Stammstrecke zu entlasten oder mitgebrachte Verspätungen abzubauen. Es kann aber auch sein, dass diese Züge in Wirklichkeit in Hauptbahnhof (oben) wendeten und dies im Reisendeninformationssystem (RIS) nicht aufgeführt wurde. ↑Zurück zur Navigation
Die Wendestationen sind bei der S5 ziemlich heterogen, die Züge wenden irgendwo zwischen Ludwigsburg und Stuttgart-Nord bzw. Hauptbahnhof (oben), siehe auch Hinweis bei der S4. ↑Zurück zur Navigation
Bei der Anzahl der vorzeitigen Wenden hält die S6 bzw. S60 den Rekord unter allen Linien, wobei in Zuffenhausen die meisten Züge der S6/S60 wenden. Da dort auch noch die S4 und S5 fahren, bestehen für die Fahrgäste aus bzw. in Richtung Leonberg wenigstens Umsteigemöglichkeiten, die Folgen sind also weniger schlimm, vorausgesetzt, dass die S6 nicht aus Stuttgart kommend in Zuffenhausen wendet. Es fällt auf, dass bei der S6/S60 die Wendestationen ziemlich heterogen sind, wobei möglicherweise Stuttgart Nord und Stuttgart Hbf mit Hauptbahnhof (oben) gleichzusetzen sind.
Die Crux bei vorzeitigen Wenden und Komplettausfällen ist, dass davon vor allem Fahrgäste betroffen sind, die in den Randbereichen des VVS unterwegs sind und daher schon von Haus aus ein schlechteres Angebot und eine schlechtere Taktung haben. Die Folge sind dann wirklich heftige Verspätungen für diesen Personenkreis, während andere fast gar nicht betroffen sind. Ob es da nicht bessere (gerechtere?) Lösungen gibt?
Und ich frage mich nur, warum man bei 1.640 vorzeitigen Wenden und 2.348 Komplettausfällen seit Anfang Dezember 2014 schon wieder die Preise beim VVS deutlich erhöhen wird. Wäre da nicht eher eine Erstattung für die Fahrgäste fällig???
Apropos ist heute (22.10.15) der Tag der Signalstörung bei der S-Bahn Stuttgart?