Die Situation rund um die Stuttgarter S-Bahn ist nach wie vor nicht rosig. Seit mittlerweile über 3 Jahren verschlechtert sich zusehends die Zuverlässigkeit. Wer einmal froh war, sich Morgens pünktlich mit der S-Bahn auf den Weg zur Arbeit zu machen und entspannt anzukommen, muss heute fürchten zu spät zu kommen und sich dafür oben drauf vom Arbeitgeber noch einen Rüffel einzuhandeln. Im Herbst 2013 führte dieser Zustand beim Verband Region Stuttgart, dem sogenannten Aufgabenträger für die S-Bahn, endlich zu einer Art Handlungsdruck. Bis dahin tat man sich dort schon schwer, die Ursachen der Misere zu analysieren. Viele der im Regionalparlament sitzenden Politiker wissen zwar seit Jahren, dass allein durch die praktizierte Zugfolge von 2,5min. bei der Einfahrt zur Haltestelle Hauptbahnhof-Tief die Kapazitäts-Grenze des Innenstadttunnels erreicht ist. Sie verweigerten sich jedoch der Tatsache, dass bei steigenden Fahrgastzahlen und somit längeren Haltezeiten an den Innenstadt-Haltestellen zunehmend Verspätungen die Folge sind.
Dazu kamen im Laufe der letzten 3 Jahre zusätzliche Probleme:
Stellwerksstörungen, Signalstörungen – auf immer wieder den selben Streckenabschnitten, Weichenstörungen und schließlich auch die neuen störanfälligen S-Bahnen.
Gesamtwert: € 500 Millionen!
Dass die Bahn ihr Schienennetz seit Jahren vernachlässigt, ist ein bundesweites Phänomen. Die für die Störungen genannten Ursachen zeigen, dass die marode Infrastruktur nun immer häufiger auch das Stuttgarter S-Bahn Netz beeinträchtigt. Das Ergebnis nach über 3 Jahren S-Bahn Krise: Die S-Bahnen in der Region Stuttgart waren noch nie so unpünktlich wie im Jahr 2013. Nur noch rund 86 Prozent aller Züge schafften weniger als drei Minuten Verspätung zur Fahrplanvorgabe. Vorgeschrieben sind 94,5 Prozent. Noch dramatischer ist, dass sich auch die Pünktlichkeit während der Hauptverkehrszeiten von 6:00 bis 9:00 Uhr und 15.30 bis 19 Uhr weiter verschlechtert hat. 2012 fuhren nur 75 Prozent der S-Bahnen innerhalb der 3-Minuten Pünktlichkeit. Die Vorgabe liegt bei 91,5 Prozent. Für 2013 hat die DB-Regio dazu noch keine Angaben veröffentlicht. Genau so wenig wie die Anzahl der ausgefallenen S-Bahnen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Bahn ausgefallene S-Bahnen in ihrer Pünktlichkeitsstatistik gar nicht berücksichtigt.
Was die im sogenannten S-Bahn Vertrag vereinbarten Pünktlichkeits-Zielwerte für die Bahn Wert sind, lässt sich daran ermessen, welche Vertragsstrafen die Bahn zu erwarten hat, wenn sie die vereinbarten Zielwerte nicht einhält. Die Stuttgarter Nachrichten berichteten am 22.1.: Die maximale Strafzahlung für verspätete und ausgefallene S-Bahnen im ganzen Jahr beträgt 62.000 Euro!
Nochmals im Klartext: ganz egal wie viele S-Bahnen innerhalb eines Jahres entweder ganz ausfallen oder um 3 Minuten, 6 Minuten oder mehr verspätet sind, der höchste wirtschaftliche Schaden den die Bahn zu befürchten hat liegt bei 62.000 Euro!
Die Regelung ist Bestandteil des am 1. Juli 2013 zwischen dem Verband Region Stuttgart und der DB Regio in Kraft getretenen Verkehrsvertrags und gilt vom 1. Juli 2013 bis zum 30. Juni 2028. Das zu Grunde liegende Vertragswerk ist geheim. Anhand dessen muss man es schon als zynisch bezeichnen dass das Inkrafttreten des Vertrags im letzten Juli noch unter dem Motto „Mit mehr Qualität in die Zukunft“ mit einem Festakt in der S-Bahn-Werkstatt Plochingen gefeiert wurde.
Ein weiteres dunkles Kapitel ist wie die Kunden über zu spät fahrende und ausfallenden S-Bahnen informiert werden. In vielen Fällen geschieht dies nämlich überhaupt nicht!
Noch beim mit Sehnsucht erwarteten S-Bahn Gipfel im Oktober 2013 wurde für Anfang 2014 versprochen:
„Erste Informationen für die Fahrgäste bereits unmittelbar nach Störungseintritt verfügbar.“
Dass dies in der Realität eher selten der Fall ist, erleben die 375.000 Fahrgäste täglich!
Auf dem Twitter-Kanal von s-bahn-chaos.de tauschen sich S-Bahn-Kunden darüber aus, dass in vielen Fällen über die Störungen weder bei Eintritt noch nach Auflösung informiert wird. Eine unserer Anfragen bei der VVS um zu erfahren warum die Kunden nicht informiert werden ergab folgende Rückmeldung:
„Durch die Kooperation mit der Bahn ergibt sich der große Vorteil, dass Meldungen nicht nur zu den Bürozeiten von ca. 07:00 bis 17:00 Uhr, sondern im 2-Schicht-Betrieb zwischen 06:00 und 21:30 Uhr eingegeben werden können – natürlich vorausgesetzt, dass die Schichten auch besetzt sind.“.
Man könnte spöttisch vermuten, dass wohl häufig die Schichten nicht besetzt sind, die Informationen an die Fahrgäste weitergeben.
Der S-Bahn Betreiber DB-Regio hatte beim Krisengipfel im Oktober letzten Jahres ein umfangreiches Maßnahmenprogramm zur Verbesserung der Qualität der S-Bahn angekündigt. Folgende Maßnahmen sollen seit Anfang diesen Jahres Abhilfe schaffen: „Mehr Personal an den Bahnsteigen, zentrales Türschließen durch den Fahrer und Monitore zur Bahnsteigüberwachung“. Das Programm läuft unter dem Titel „Jede Sekunde zählt“. Bis zum heutigen Tag bringt keine der angekündigten Maßnahmen für die Fahrgäste relevante Verbesserungen. Der Großteil soll allerdings sowieso erst gegen Ende 2014 wirksam werden.
Für die Fahrgäste bedeutet dies, dass sie sich auch 2014 darauf einstellen müssen, dass ihre S-Bahnen unpünktlich oder gar nicht fahren. Die Häufung der Störungen die durch die immer unzuverlässig werdende Infrastruktur verursacht werden, lässt sogar eine Verschlimmerung der Situation befürchten!
Sehr geehrte Herr Braun,
im Hinblick auf Ihre Kritik bzgl. der Pönale bitte ich Sie in Erinnerung zu rufen, wer seinerzeit bei der Ausschreibung der S-Bahn Stuttgart noch als Vertragspartner bereit stand. Keiner der ehemals angetretenen anderen Verkehrsunternehmen außerhalb der DB war noch im Zieleinlauf dabei, denn alle haben bereits vorher das Handtuch geworfen, einerseits begründet mit der damals guten Qualität der S-Bahn Stuttgart aber auch mit den unklaren Bauzuständen während Stuttgart 21.
Insofern – und dies erlaube ich mir als Betriebswirtschaftler auch auszusprechen – ist es in einer Marktwirtschaft leider nun so, wenn ich nur noch einen Vertragspartner übrig habe, kann ich zwar z.B. 1 Mio. Euro für Strafzahlungen gerne fordern, wenn die andere Seite nicht mitmacht, habe ich keine andere Wahl, außer ich hätte am 1.7.2013 den S-Bahn Verkehr einstellen wollen. Und als Eisenbahnverkehrsunternehmen würde ich mir auch Verspätungen und Zugausfälle, die in der Verantwortung eines anderen für die Infrastruktur zuständigen Unternehmens liegen, nichts ans Bein binden wollen. Unabhängig davon, ob diese Unternehmen zu einem Konzern gehören, dessen Teil auch ich bin, dessen Leistungen ich aber weder kaufmännisch noch technisch zu verantworten habe.
Glauben Sie im ernst, wenn Veolia WEG oder Arriva den S-Bahn Verkehr in der Region Stuttgart nun betreiben würden, dass es dann annährend besser laufen würde? Auch diese Verkehrsunternehmen müssten mit der desolaten störanfälligen und nicht mehr leistungsgerechten Infrastruktur operieren, sich in verspätete Regional- und Fernverkehrszüge eintakten und sich zudem ständig mit DB Netz und DB Station&Service herumärgern. Darauf einzuwirken dürfte äußerst schwierig sein, denn bei wem sonst als bei diesen Monopolisten soll ich den anderweitig meine Leistungen bestellen. Es gibt keinen anderen Anbieter für die Infrastruktur, die ich zur Erbringung meiner Leistungen benötige und auch dort diktiert der Stärkere (DB Netze) die Bedingungen. Schlucken oder nicht fahren…
Aus Fahrgastsicht ist dies natürlich höchst ärgerlich, für ihn ist auch völlig uninteressant wer mit dem verbunden ist, wer welche Verträge mit wem geschlossen hat. Er hat ein VVS-Ticket und will möglichst schnell und zuverlässig von A nach B.
Meines Erachtens ist der Grund allen Übels die Infrastruktur. Der Stammstreckentunnel und die Zulaufstrecken können bei dieser Fahrgastanzahl in der HVZ den Fahrplan nicht halten. Hinzu kommen Instandhaltungsdefizite wie die täglichen Signal- und Weichenstörungen sowie Einschränkungen, die einer neuen Sicherheitsphilosophie bei der Zulassung neuer Fahrzeuge geschuldet sind. Man darf den Blick für die Realität nicht verlieren. Große Investitionen in eine zweite Stammstrecke sowie die Modernisierung von Signal- und Weichentechnik in erforderlicher Milliardenhöhe wird es nicht geben. Mittelfristig sehe ich nur eine Möglichkeit die neue Realität im Fahrplan wiederzuspiegeln, d.h. die längeren Fahrzeiten der Realität anpassen auch abgestimmt mit den Stadtbahnen, Bussen, Regionalbahnen. Oder – auch wenn der Schritt hart klingt – zurück auf einen 20 Minuten Takt ind er HVZ. Dafür aber pünktlich und zuverlässig, mit Langzügen und gesicherten Anschlüssen.
Mit freundlichem Gruß
Markus O. Robold
Sehr geehrter Herr Robold!
Sie stellen die Interessen der im S-Bahn-Betrieb beteiligten DB-Unternehmen sehr gut dar. Ob die Geschäftsgebaren der DB Regio und des für die Eisenbahn-Infrastruktur verantwortlichen Unternehmens DB Netze (beide sind ja bekanntlich Teil des DB-Konzerns) betriebswirtschaftlich sinnvoll sind, lasse ich einmal dahingestellt. Unverständlich ist jedoch vor allem, dass der Bund als alleiniger Eigentümer der Deutschen Bahn die seit der Ausgliederung der DB als Aktiengesellschaft vernachlässigte Wartung der vorhandenen Infrastruktur so lange geduldet hat.
Völlig inakzeptabel ist jedoch, dass die Interessen-Vetreter der S-Bahn-Kunden beim Verband Region Stuttgart eine Vereinbarung unterzeichnet haben, die im Falle der Nicht-Erfüllung eine Gewährleistung de Facto ausschließt. Wie Sie wissen, handelt es sich beim S-Bahn-Verkehrsvertrag Stuttgart mit rund 9,8 Mio. Zug-km pro Jahr um die bisher größte Vergabe eines bestehenden S-Bahn-Systems in Deutschland an die Deutsche Bahn AG.
Mit freundlichen Grüßen,
Marc Braun
vom S-Bahn-Chaos-Team
Sehr geehrter Herr Braun,
zunächst einmal sollten die Fakten auf den Tisch. Bitte veranlassen Sie doch die DB Regio AG, die Pünktlichkeitswerte für die Hauptverkehrszeit über Sie zu veröffentlichen.
Die Kontaktdaten sind:
DB Regio AG
Verkehrsbetrieb Württemberg
Arnulf-Klett-Platz 3
70173 Stuttgart
Tel.: 0711/93324-201
Fax: 0711/93324-290
Ich denke, Sie erreichen mehr als einzelne Nutzer.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Uli Henning