„Test für neuen S-Bahn-Lotsen gefordert“ …

Mit dieser Überschrift hat das European Train Control System (ETCS) für die Stuttgarter S-Bahn am 9.7.2016 wieder den Weg in die Stuttgarter Zeitung gefunden. Prof. Martin von der Universität Stuttgart formulierte deutlich: „Es ist höchste Zeit, das ETCS auf einer S-Bahnstrecke zu testen.“ Für den Redakteur Wolfgang Schulz-Braunschmidt ist es in seinem Kommentar „höchste Eisenbahn“ für ein leistungsfähiges Steuerungssystem für unser wichtigstes Nahverkehrssystem. Allerdings sind Artikel und Kommentar geeignet, eine überhöhte Erwartungshaltung zu erzeugen, die keinen Beitrag zur Lösung liefern würde.

Gegen Tests ist zunächst überhaupt nichts einzuwenden. Die derzeit bei der DB Netze in Arbeit befindliche Simulation eines ETCS-Einsatzes auf der S-Bahn-Stammstrecke ist ja eigentlich auch ein erster Test, ob weitere Tests und Schritte auf dem Weg zu einer Einführung überhaupt sinnvoll sind. Man muss es nicht gut finden, dass die Ergebnisse dieser Simulation noch immer nicht vorliegen. Aber offensichtlich ist die Simulation schwierig und die DB überdies gut beraten, bei dieser Untersuchung präzise zu arbeiten, denn sie muss hinterher die Hauptverantwortung für die einwandfreie Funktion des Leit- und Sicherungssystems übernehmen. Dass sich die Trasse der S60 als „Parcours“ für weiterführende Tests anbieten könnte, will allerdings nicht einleuchten. Denn was möchte man auf einer Strecke ertesten, auf der pro Stunde und Richtung gerade einmal zwei S-Bahnzüge fahren?

Für die ETCS-Ausrüstung der Stammstrecke jetzt schon eine Kostenschätzung von 80 Mio. Euro in die Welt zu setzen, ist voreilig. Wie soll man Einführungskosten und -zeiten schätzen, wenn die Einsetzbarkeit noch nicht einmal geklärt, das einzusetzende System und der Vorgehensplan noch nicht vorhanden sind? Dazu kommt, dass bei der Einführung von ETCS die klassische Signaltechnik auf jeden Fall auch erneuert werden muss. Mit der Erneuerung der bestehenden Signaltechnik kann man ohne jegliche Testphase sofort beginnen. Wenn diese Erneuerung durchgeführt ist und sich dann (vermutlich) herausstellt, dass sich die Verbesserungen in hohem Maß bereits durch die optimal eingesetzte klassische Signaltechnik erreichen lassen, umso besser!

Es bleibt jetzt nichts anderes übrig, als auf die Simulationsergebnisse zu warten, die für den Herbst diesen Jahres avisiert sind. Dann kann gerne – wie Dr. Wurmthaler vom Regionalverband VRS formulierte – die rege Diskussion beginnen. Wer dagegen heute schon meint, Kosten und Zeitdauer absehen zu können, der möge dies doch bitte mit einem halbwegs konkreten Vorgehensplan belegen, der auch benennt, wer was wann zu tun hat und wo Meilensteine mit Zwischenprüfungen zu setzen sind. Es wäre eher irreführend, ohne Konkretisierung jetzt schon den Eindruck zu erwecken, man müsse nur 80 Mio. Euro in die Hand nehmen und schon seien die Pünktlichkeitsprobleme zu lösen.

2 Gedanken zu „„Test für neuen S-Bahn-Lotsen gefordert“ …

  1. Stephan Schmidt

    Der Fehler wurde doch mit dem Bau des S-Bahn-Tunnels von Hauptbahnhof bis Schwabstrasse begangen. Jedem musste doch klar sein, dass die beiden Gleise nur eine begrenzte Kapazität haben ! Das Herumdoktern mit ETCS löst doch dieses Grundproblem nicht !

    Warum denkt man das Problem nicht zu Ende, gerade jetzt, wo sich mit Stuttgart 21 eine Lösung anbietet: noch zwei Gleise bis Flughafen für die S-Bahn. Da muss man zwar Geld in die Hand nehmen, aber man verdoppelt die Kapazität, hat einen zweiten Weg aus dem Tal und verkürzt für die Fluggäste die Fahrzeit von 45 auf 8 Minuten ! Die anderen Stationen auf den Fildern werden dann vom Flughafen aus bedient.

    Jetzt kann Stuttgart mal beweisen, ob man Provinz bleiben will oder ob man für die Zukunft plant. Noch ist dieser Schritt möglich, doch nicht mehr lange, also los !

    Antworten
    1. Klaus Wößner Beitragsautor

      … und gleich noch weitere Fragen zum Verständnis, Herr Schmidt, betreffend S-Bahn zum Flughafen:
      1. In welchem Verlauf sollten die zwei weiteren Gleise der S-Bahn zum Flughafen nach Ihrer Ansicht geführt werden? Oder sollte der im Bau befindliche Filderaufstiegstunnel von S21 für die S-Bahn umgewidmet werden?
      2. S2 und S3 fahren planmäßig (leider tun sie das häufig nicht) von Flughafen-Terminalbahnhof in 27 Minuten zum Hbf. Wie kommen Sie auf 45 Minuten?
      Gruß KW

      Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert