Mehr als 400 Mal pro Jahr fahren Züge der S-Bahn Stuttgart im Störungsfall über Stuttgart Hauptbahnhof (oben) und umgehen damit über die sogenannte Panoramabahn den Engpass „Stammtunnel“. Noch weitaus häufiger werden Züge der Nordlinien S4-S6 in den Hauptbahnhof (oben) geleitet, um dort zu wenden und Verspätungen abzubauen, da an der Schwabstraße eine nur geringe Wendezeit von ca. 10 Minuten besteht. Auch lässt man Züge im Hauptbahnhof (oben) vorzeitig enden, um Verspätungen von den Außenästen der S-Bahn nicht in den Stammtunnel zu übertragen.
Und nicht zuletzt bei den so oft anfallenden Bauarbeiten an der Stammstrecke, man denke nur an die wöchentlichen „Instandhaltungsfenster“, wird der Hauptbahnhof (oben) und, für die S1-S3, auch die Panoramabahn benötigt.
Im Rahmen der Bauarbeiten für das Projekt Stuttgart 21 soll die Gäubahn bekanntlich für mehrere Jahre unterbrochen werden. Und — damit nicht genug — immer noch wird darüber diskutiert, ob nach Fertigstellung von S21 eine Anbindung der Panoramabahn an den unterirdischen Hauptbahnhof oder einen ober- oder unterirdischen (Rest-)Kopfbahnhof überhaupt notwendig ist.
Die S-Bahnen im Störungsfall durch den 8-gleisigen Tiefbahnhof und die nur 2-gleisigen Zulauftunnel fahren zu lassen, ist nicht nur utopisch, sondern würde das Fehlen einer S-Bahn-Anbindung eines der größten Stadtbezirke Stuttgarts in die Innenstadt bedeuten, denn die Linie S1 würde nach Planungen aus dem Jahr 2009 von Goldberg direkt ohne Halt in Rohr und Vaihingen über die sogenannte Rohrer Kurve nach Echterdingen und weiter durch den Fildertunnel zum Hauptbahnhof geleitet werden.
Matthias Gastel, Mitglied des Bundestags, hat dazu auf seiner Website einen interessanten Artikel Noch immer kein Notfallkonzept für die S-Bahn Stuttgart und dem Untertitel Stuttgart 21 droht die S-Bahn auszubremsen veröffentlicht, der einige Probleme aufzeigt und auf die Gefahren der Kappung dieser Bahnstrecke hinweist. Er fordert, die Panoramabahn zu erhalten und in den alten Hauptbahnhof, ob unterirdisch unter dem neuen Wohngebiet Rosensteinviertel oder oberirdisch an der jetzigen Stelle, anzuschließen. Nur so sei auch in Zukunft ein zuverlässiger S-Bahn Betrieb möglich.
Diesem stimmen wir vollkommen zu!
Auch für neue (Express-)Linien oder den Bahnanschluss weiterer Wohngebiete, wie Dachswald oder Stuttgart-West, ist eine an den Hauptbahnhof angebundene Panoramabahn wichtig. Besonders bei Sperrung des neuen Tiefbahnhofs oder eines der Tunnel wäre ein zu diesem orthogonal gelegener zumindest 4-6 gleisiger Kopfbahnhof für Fern- und Regionalzüge absolut sinnvoll. Und schließlich formulierte Landesverkehrsminister Hermann völlig zu Recht die Zweifel, ob der S21-Tiefbahnhof für eine Verdoppelung der Fahrgäste bis 2030 überhaupt ausreichen kann, und schlug deshalb die Diskussion und Untersuchung über eben diesen „Ergänzungsbahnhof“ vor.
Jedoch kommt von den Befürwortern von S21 massiver Widerstand schon allein gegen Gespräche über den Ergänzungsbahnhof. Die Deutsche Bahn hält ihn für völlig überflüssig und meint überheblich, auf jedem Gleis des S21-Tiefbahnhofs die Züge im 5-Minutentakt durchschleusen zu können. Selbst die Grünen im Stuttgarter Gemeinderat, im Regionalparlament und im Landtag stehen im Gegensatz zum ebenfalls grünen Verkehrsminister Hermann zumindest nicht geschlossen hinter den Planüberlegungen für den Ergänzungsbahnhof. Allseits bangt man um das neue Wohn- und Gewerbegebiet auf den Flächen des jetzigen Kopfbahnhofs und des Gleisvorfeldes sowie des Abstell- und Wartungsbahnhofs.
Wir haben in Stuttgart schon allein ca. 250.000 versicherungspflichtig Beschäftigte, die Tag für Tag zur Arbeit ins Stadtgebiet einpendeln. Daher kann es nur falsch sein, eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik gegen Wohnungsbau und Wirtschaftsansiedelung aufrechnen oder ausspielen zu wollen. Noch bietet sich die Chance, beim „Milliardengrab“ Stuttgart-21 mit dem Ergänzungsbahnhof zumindest einen gravierenden Schwachpunkt zu verbessern. Dazu gehören aber ebenso die volle Beibehaltung der Panoramastrecke und auch der Ausbau der Zulaufstrecke von Zuffenhausen von 4 auf 6 Gleise. Die Streckenunterbrechung bei Rastatt vor zwei Jahren hat uns gelehrt, welche schlimmen Folgen fehlende Gleise und Ausweichstrecken haben. Dort waren Güter die Hauptleidtragenden, hier wären es unzählige Menschen auf ihrem Weg zur Arbeit, zur Ausbildung oder in eine lebendige Stadt. Letzteres gilt es für Stuttgart zu verhindern!
Mehrheiten im Stuttgarter Gemeinderat, Bürgermeister und viele hunderttausend „unbedarfte“ ÖPNV-Nutzer blenden die korrekt beschriebene elementare Bedeutung im Verspätungs- und Störfall dieser Umleitungen aus, die sowohl während der Bauzeit von S21 mit der geplanten Kappung der Gäubahnanbindung an den Hbf als auch danach gilt.
Ich hoffe, dass der dem Titel dieser Webseiten entsprechende eintretende Zustand nach der Verschlechterung mit der Gäubahn von niemandem mehr zu leugnen sein wird und für den Rest eine späte Erkenntnis durch Konfrontation mit der Realität bringen wird.
Bis zur Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs (und das kann noch sehr lange dauern) besteht die Möglichkeit, den Kopfbahnhof als „Ergänzungs“-Bahnhof sogar in seiner heutigen Gänze einzuplanen. Das ist immerhin eine recht komfortable Situation, auch wenn der verschandelte Kopfbahnhof den heutigen ästetischen und funktionalen Anforderungen nicht ganz gerecht wird.
Im Fall, dass der Tiefbahnhof nie in Betrieb geht, bleibt Stuttgart bahntechnisch auf dem heutigen Stand, was jedoch absolut nicht komfortabel und vorallem nicht zukunftsfähig ist.
Der Tiefbahnhof muss also geradezu als Ergänzung des heutigen Kopfbahnhofs in Betrieb gehen und kann dann einen Teil (aber wirklich nur einen Teil) der Züge übernehmen. So könnte man Stuttgart Deutschland-Takt fähig machen und die beiden Bahnhöfe könnten zusammen eine signifikante Erhöhung der Fahrgastzahlen bewerkstelligen.
Das heißt, wenn man realistisch ist und den Bahnverkehr wirklich als zukunftsfähiges Verkehrsmittel sieht, muss man sich mit dem Tiefbahnhof arrangieren und sogar hoffen, dass er möglichst bald in Betrieb gehen kann und halbwegs funktioniert (ohne größere Unglücke wie Brand im Tunnel, Wegrollen von Zügen usw.) Da eine Inbetriebnahme des Tiefbahnhofsjedoch aber durchaus bis 2030 dauern kann, (man denke an den BER; Fertigstellung ist nicht Inbetriebnahme!) wird Stuttgart längere Zeit ein neuraligischer Bahnknoten bleiben.