Vom GDL-Streik zum Radsatzdrama – was lief schief im zweiten Teil der Sommerferien?

Schon in einem vorherigen Beitrag haben wir über unsere Erfahrungen mit dem Ersatzkonzept der S-Bahn Stuttgart während der Stammstreckensperrung in den Sommerferien berichtet, die sich 2022 und 2023 wiederholen werden.

Das Konzept umfasste neben zwei Schienenersatzbuslinien auch die Umleitung dreier S-Bahnlinien, nämlich S1, S15 und S23, über die sogenannte Panoramabahn, also die Bahnstrecke zwischen Stuttgart-Vaihingen und dem Hauptbahnhof über Stuttgart-West, die im Regelbetrieb dem Regional- und Fernverkehr vorbehalten ist.

Doppelstockwagen vom RE5 als Ersatzzug nach Vaihingen

Nachdem diese lange und präzise geplanten Ersatzverkehre und Baustellenlinien einigermaßen eingefahren waren (die Vor- und Nachteile des Konzepts haben wir im ersten Beitrag beleuchtet), kamen etwa zur Mitte der Sommerferien einige Umstände hinzu, die den Betrieb besonders erschwerten oder gar unmöglich machten:

  • Streik der GDL-Lokführer
  • Sperrung der oben genannten Gäubahn-Panoramastrecke für alle S-Bahnzüge

Während des ersten Lokführerstreiks der GDL am 11. / 12.08. konnte für den S-Bahnverkehr wenigstens ein Stundentakt angeboten werden. Am Freitag, dem 20. August brach dann das zweite Unheil über den S-Bahnverkehr herein: 

Die Räder der Züge der S-Bahnbaureihe 430 waren innerhalb von drei Wochen teilweise so heftig abgenutzt, dass acht Züge in der Werkstatt zur Reparatur verbleiben mussten. Weil genau die Züge betroffen waren, die zwischen Vaihingen und Hauptbahnhof die Panoramastrecke als Umleitung nutzten, wurde die Panoramastrecke noch am Freitag für alle S-Bahnzüge gesperrt. Bis für die Zugverbindung Vaihingen – Hauptbahnhof ein Ersatzzug mit einer Lokomotive und vier Doppelstockwagen älterer Bauart beschafft und ab Samstag, den 21, August wenigstens im stündlichen Pendelverkehr eingesetzt werden konnte, gab es für diesen Weg nur die Stadtbahn oder den langsamen und durch den Umstieg an der Universität umständlichen Schienenersatzbus. Schließlich gelang es in den Folgetagen noch einen zweiten Ersatzzug von der Regionalexpresslinie RE5 aufzutreiben, die aufgrund von Bauarbeiten auf der Filstalbahn nur auf einem Teilstück verkehren konnte, so dass ab dann dieser Pendelverkehr im Halbstundentakt gefahren werden konnte.

S-Bahn und Regio-Ersatzzug in Vaihingen

Für die Reisenden zwischen Singen, Horb, Böblingen, Vaihingen und Hauptbahnhof war damit eine kaum noch erträgliche Belastung durch Streckensperrungen, Zugausfälle, Busersatzverkehre, mehrfache Umstiege und Reisezeitverlängerungen eingetreten. An dieser Stelle möchte ich der weit überwiegenden Zahl der mir begegneten Reisenden ein großes Kompliment machen: Sie haben alles ziemlich gelassen, manchmal vielleicht etwas resignierend, ganz selten wütend hingenommen.

Als dann vom 2. – 6. September erneut ein Streik der Lokführer stattfand, wurden so gut wie alle Verkehre nur noch im Stundentakt angeboten. Bei aller Akzeptanz des engagierten Einsatzes für die Arbeitnehmerrechte hätte ich mir gewünscht, dass die GDL angesichts der durch die Ersatzverkehre und die Sperrung der Umleitungsstrecke schon extrem schwierigen Situation in Stuttgart in der zweiten Streikwelle diesen Raum vom Arbeitskampf ausnimmt. Schade, dass es nicht so kam.

Immerhin wurde einige Tage nach dem Auftreten der Radsatzprobleme der Schienenersatzverkehr SEV2 kurzfristig erweitert und verkehrte dann doppelt so oft und auch sonntags. Ebenfalls wurde die Reisendeninformation online angepasst und die Züge aus der Fahrplanauskunft gestrichen.

Was allerdings nur schlecht funktionierte war die Kommunikation in den Zügen und an den Bahnsteigen. So hingen bis zum Ende der Sperrung, also mehr als 3 Wochen (!) noch die alten Liniennetzpläne und Abfahrtstafeln. Auch die Anzeigen und Ansagen am Bahnsteig wurden lange nicht an die veränderten Gegebenheiten angepasst und kommunizierten so falsche Informationen an sowieso schon verwirrte Reisende.

Bahnhofsanzeige in Stuttgart Hbf mit dem Ersatzzug über die Panoramabahn nach Vaihingen, bezeichnet als RE22753

Wir können zwar durchaus nachvollziehen, dass in solch einer Ausnahmesituation nicht sofort alle Offline-Informationen aktualisiert werden können, allerdings ist es uns unverständlich, warum auch nach drei Wochen großflächig falsche Informationen verbreitet wurden.

Darüber, was man nun aus der ersten Sperrung lernen und mitnehmen sollte, werden wir noch einen separaten Beitrag schreiben. Für den zweiten Teil der Sperrung kann man aber schon einmal festhalten, dass die Kommunikation und das Ersatzverkehrsmanagement verbesserungswürdig sind. Es bleibt zu hoffen, dass man im nächsten Sommer die Probleme mit den Radsätzen genau untersucht hat und das dann geltende Ersatzkonzept an die Gegebenheiten anpasst, damit eine solche Verwirrung wie in diesem Jahr sich nicht wiederholt.

2 Gedanken zu „Vom GDL-Streik zum Radsatzdrama – was lief schief im zweiten Teil der Sommerferien?

  1. Harald Frank

    Was jetzt bei den abgefahrenen Radsätzen/Spurkränzen herauskam, wird von der DB noch vornehm verschwiegen. Oder weiß jemand mehr?
    Das Ersatzprogramm mit dem zuerst einen Ersatzzug zeigte schonungslos, wie dieses Staatsunternehmen mit solch einer Situation heillos überfordert ist.
    Und dann will man autonome Züge fahren lassen.

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