Unsere – aus dem Live-Fahrplan der DB Regio ermittelten – Pünktlichkeitswerte der Stuttgarter S-Bahn-Linien haben sich im Oktober 2014 gegenüber dem Vormonat deutlich verschlechtert und haben einen neuen Jahrestiefstand erreicht.
Bisher haben in der Monatsstatistik 60% als Minimalwert ausgereicht, für Oktober mussten wir den Minimalwert nach unten korrigieren, da selbst der Durchschnittswert über alle Linien bei der 3-Minuten-Pünktlichkeit während der HVZ auf unter 60%, die der S3 sogar unter 50% abfiel.
Wer es lieber als Tabelle will, hier ist sie:
3-Minuten (ganzer Tag) |
6-Minuten (ganzer Tag) |
3-Minuten (nur HVZ) |
6-Minuten (nur HVZ) |
|
Ziel-Wert | 94,5% | 98,0% | 91,5% | 98,0% |
Ist-Wert | 70,7% | 86,8% | 58,2% | 81,4% |
Einzelne Linien | ||||
S1 | 66,8% | 86,2% | 53,3% | 79,1% |
S2 | 63,3% | 80,2% | 50,1% | 74,3% |
S3 | 62,9% | 80,8% | 49,2% | 76,0% |
S4 | 80,4% | 92,5% | 67,6% | 87,4% |
S5 | 72,6% | 91,1% | 60,6% | 85,6% |
S6 | 82,2% | 93,3% | 69,2% | 88,1% |
S60 | 81,8% | 93,0% | 71,5% | 88,8% |
HVZ = Hauptverkehrszeit (Mo.-Fr. 6:00-9:00 und 15:30-19:00, außer an Feiertagen)
Die zwangsläufig etwas freundlicheren Durchschnittswerte über den ganzen Tag ohne Trennung zwischen HVZ und übriger Zeit sehen im Jahresvergleich bis Oktober 2014 folgendermaßen aus:
Die 3-Minuten-Pünktlichkeit ist bei S2 und S3 unter 65% gefallen, das heißt einer von 3 Zügen war unpünktlich, wohlgemerkt im Durchschnitt aller Züge, auch in den verkehrsarmen Zeiten und am Wochenende.
Selbst bei der 6-Minuten-Pünktlichkeit über den ganzen Tag gesehen haben S2 und S3 nur noch 80% erreicht. Wie lange soll das noch so weitergehen?
Natürlich ist gegen Vandalismus, Luftballone an der Oberleitung, Notarzteinsätze, Personen im Gleis o.ä. kein Kraut gewachsen. Es fällt aber auf, dass die Anzahl der Signal-, Weichen- und Fahrzeugstörungen ziemlich groß ist, die vollmundigen Versprechungen bezüglich der Modernisierung der Infrastruktur scheinen auf sich warten zu lassen.
Wie oft an den neuen Fahrzeugen der Baureihe 430 Türstörungen zu beobachten sind, ist schon bemerkenswert. Auch das Öffnen der Türen dauert trotz deaktiviertem Schiebetritt ein paar Sekunden länger als bei den älteren Zügen, wo doch laut Bahn „Jede Sekunde zählt!„.
Ob der neue Fahrzeugtyp der Hauptgrund für die schlechten Werte der S3 ist, nachdem diese Linie wie auch die S1 mittlerweile vollständig auf die BR 430 umgestellt wurde, die S2 bis heute nur teilweise? Jedenfalls ist es schon auffällig, dass die S2 und S3 seit der Umstellung Mitte August unpünktlicher sind als die bis dahin unpünktlichste Linie, die S1.
Hinzu kommt dann noch die viel zu kurz bemessene Wendezeit von 8 min für die S2 an beiden Endbahnhöfen (Schorndorf und Filderstadt) und sogar nur 6 min für die S3 an Flughafen/Messe, die erheblich dazu beiträgt, dass sich dort Folgeverspätungen aufschaukeln.
Wir sind gespannt, was die DB-Regio bei der Veröffentlichung ihrer eigenen Oktober-Werte gegenüber der Presse als Grund für die erneute Verschlechterung angibt. Vermutlich sind – wie immer – die anderen schuld.
▸HIER können Sie alle Diagramme des bisherigen Jahres 2014 auf einer Seite einsehen.
Das Jahresdiagramm einer bestimmte Linie (oder aller zusammen) erreichen Sie mit einem Klick auf den entsprechenden Link: Alle | S1 | S2 | S3 | S4 | S5 | S6 | S60.
Auch im Oktober bin ich wieder mit der S1 gependelt und habe meine eigene Pünktlichkeitsstatistik erfasst. Leider sind meine Werte wieder deutlich schlechter als die ohnehin schon miserablen Werte Eurer Statistik. Um Missverständnissen vorzubeugen möchte ich betonen, dass ich Eure Arbeit und die Veröffentlichung Eurer Zahlen für sehr wichtig und gut halte. Mit meinen eigenen Messwerten möchte ich lediglich die nochmals deutlich schlechtere Situation für die vielen Tausenden von Berufspendlern darstellen, die eben nicht statistisch zufällig verteilt über den ganzen Tag und das ganze Netz mit der S-Bahn fahren, sondern zu den besonders schlimmen Zeiten auf den besonders schlimmen Strecken unterwegs sind.
Im Oktober bin ich bei insgesamt 40 Fahrten mit der S1 zwischen S-Hbf und Hulb gependelt. Alle Fahrten fanden Mo-Fr in der HVZ wie folgt statt. Die ausgefallenen Bahnen durch den Streik habe ich nicht erfasst. Sie würden das Ergebnis weiter verschlechtern.
S1 Richtung Herrenberg:
11 Fahrten nach Hulb, fahrplanmäßige Ankunft 07:31
8 Fahrten nach Hulb, fahrplanmäßige Ankunft 07:46
1 Fahrt nach Hulb, fahrplanmäßige Ankunft 08:01
S1 Richtung Kirchheim(Teck):
4 Fahrten nach S-Hbf, fahrplanmäßige Ankunft 16:25
16 Fahrten nach S-Hbf, fahrplanmäßige Ankunft 17:25
Die von mir dabei gemessene Pünktlichkeit am jeweiligen Zielbahnhof, d.h. Hulb oder Hbf:
innerhalb der 3-Minuten-Pünktlichkeit: 6 Fahrten, entspricht 15.0%
innerhalb der 6-Minuten-Pünktlichkeit: 22 Fahrten, entspricht 55.0%
Umgekehrt betrachtet muss man feststellen, dass 85.0% meiner Fahrten nicht pünktlich am jeweiligen Zielbahnhof eingetroffen sind. Die Unpünktlichkeit ist also nicht mehr die Ausnahme, sondern der Regelfall. Selbst bei der 6-Minuten-Pünktlichkeit ist es so, dass 45% der Fahrten – also fast die Hälfte – außerhalb des Zeitlimits lagen. Was das für die Anschlusserreichung, insbesondere am Hbf, bedeutet, kann man sich vorstellen.
Hier noch die Zusammenfassung für die Monate bisher:
3-Minuten-Pünktlichkeit:
September 2014: 56.8%
Oktober 2014: 15.0%
6-Minuten-Pünktlichkeit:
September 2014: 81.1%
Oktober 2014: 55.0%
Danke lieber S1-Pendler für die Information.
Was mich noch interessieren würde: waren die Verspätungen morgens bei der Ankunft in Hulb in etwa gleich wie abends bei der Ankunft in S-Hbf?
Mit freundlichen Grüßen
Ulli Fetzer
S-Bahn-Chaos-Team
Hallo Herr Fetzer,
ich wollte meinen Kommentar nicht zu lang gestalten, deswegen habe ich keine Unterscheidung zwischen morgens und abends getroffen. Die Information dazu habe ich natürlich. Morgens und abends waren es als Bezugsgröße jeweils 20 Fahrten:
morgens zur Hulb:
innerhalb der 3-Minuten-Pünktlichkeit: 5 Fahrten, entspricht 25.0%
innerhalb der 6-Minuten-Pünktlichkeit: 11 Fahrten, entspricht 55.0%
Die einzelnen Verspätungen: 11, 6, 0, 6, 2, 7, 6, 4, 5, 4, 6, 3, 15, 2, 4, 6, 1, 13, 3, 1 Minuten
abends zum Hbf:
innerhalb der 3-Minuten-Pünktlichkeit: 1 Fahrt, entspricht 5.0%
innerhalb der 6-Minuten-Pünktlichkeit: 11 Fahrten, entspricht 55.0%
Die einzelnen Verspätungen: 15, 11, 6, 4, 10, 11, 5, 6, 3, 9, 7, 3, 5, 4, 10, 5, 5, 1, 5, 3 Minuten
Morgens ist die Situation tatsächlich leicht besser. Abends war nur eine einzige Bahn innerhalb der 3-Minuten-Pünktlichkeit am Hbf.
Mit freundlichen Grüßen,
S1 Pendler
Lieber S1-Pendler,
ich habe Ihre Aufzeichnungen mit Interesse gelesen und habe noch eine Frage:
Haben Sie in Ihren Aufzeichnungen neben den Ankunftszeiten am Zielbahnhof zufällig auch die Startzeiten im Startbahnhof (morgens am Hbf und abends an der Hulb) festgehalten?
Mich hätte sehr interessiert, ob und mit wieviel Verspätung die von Ihnen benutzten Züge jeweils schon gestartet sind. Das würde mir helfen, eine eigene Hypothese zum Verspätungsaufbau bzw. im günstigen Fall auch Verspätungsabbau zu überprüfen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wößner
Hallo Herr Wößner,
die Startzeiten habe ich leider nicht zur Verfügung. Ich habe immer nur die Ankunftszeit am Zielbahnhof notiert.
Für die Fahrt abends von Hulb zum Hbf kann man sagen, dass die S1 grundsätzlich mindestens 1 Minute zu spät in Hulb eintrifft. In den letzten beiden Monaten hat sich das immer mehr in Richtung 2 Minuten verschoben. Höhere Verspätungen in Hulb sind eher die Ausnahme. Bei einer fahrplanmäßigen Fahrzeit von Herrenberg nach Hulb von 11 Minuten und nur 4 Haltestellen, sind 2 Minuten Verspätung natürlich schon eine ganze Menge. Die Verspätung vergrößert sich dann typischerweise über die Länge der Fahrt. Signifikant ist noch einmal der Halt Universität, bei dem immer sehr viele Fahrgäste einsteigen, was entsprechend lange dauert. An der Schwabstraße hat die Bahn dann ihre fast komplette Verspätung eingefahren. Bis zum Hbf kommt dann meist noch ca. 1 Minute hinzu.
Mit freundlichen Grüßen,
S1 Pendler
Hallo zusammen,
wirklich interessante Statistiken, die einiges ans Licht bringen, was mir bisher im Dunkeln lag – zwischen meiner Wahrnehmung und der Statistik der DB. Vielen Dank für Eure Arbeit.
Kleine Anmerkung: Es ist nicht wirklich wissenschaftlich korrekt, wenn durch die Darstellung der Diagramme verfälschte Eindrucke hervorgerufen werden. Bei allem Ärger wäre es deutlich seriöser und aufrichtiger, wenn die Diagramme auch tatsächlich bei 0 anfangen und die Skala nicht unten abgeschnitten wird.
Viele Grüße,
Simon
Hallo Simon,
unserer Meinung ist es nicht unwissenschaftlich, wenn die Ordinate erst etwa bei den realen Werten der schlechtesten Linie beginnt, denn so können die Unterschiede zwischen den einzelnen Linien und Monaten viel leichter aus den Diagrammen abgelesen werden. Das wird bei der 6-Minuten-Pünktlichkeit und einem Minimalwert von knapp über 80% für S2 und S3 deutlich.
Mit freundlichen Grüßen
Ulli Fetzer
S-Bahn-Chaos-Team
Im S21 Stresstest wurde die S-bahn mit einen 94% Pünktlichkeit (3 Minuten) über die Zeit von 6 bis 10 Uhr simuliert.
Das wurde den Menschen als herausfordernder Wert verkauft, denn man gab an, dass die wirkliche Pünktlichkeit bei 98% lag.
„… wertete SMA Pünktlichkeitswerte der Monate März, April und Mai aus den Jahren 2009 und 2010 aus.90 Dieser Ausschnitt wurde bewusst gewählt, um verzerrende Einflüsse durch größere Baumaßnahmen zu vermeiden. Entsprechend dem Auswertezeitraum des Stresstests (6:00 bis 10:00 Uhr) ging die Auswertung auch über die morgendliche Hauptverkehrszeit der S-Bahn (etwa 6:00 bis 8:00 Uhr) hinaus.“
Vielen Dank für eure tolle Seite. Ich mache derzeit meine eigene Statistik (S2) und die Werte sind noch schlechter als auf eurer Seite. Ich versuche bei Gelegeneheit diese zu posten.
Unzumutbar ist allerdings der Aufgang von der S-Bahn zur Klett-Passage. Dort steht seit Wochen (!) eine Rolltreppe still, weil wohl Ersatzteile von Thyssen fehlen.
Allgemein empfinde ich die Flucht- und Brandschutzmaßnahmen als beängstigend. Diese neuen Brandschutztüren sind platztechnisch gesehen eine Katastrophe, weil die Fluchtwege damit noch enger werden. Will gar nicht wissen, was bei einem wirklichen Brand passieren würde. Bisher gab es im September/Oktober ja auch zahlreiche Fehlalarme, die immer für Mega-Chaos gesorgt haben. Wenn es aber tatsächlich mal in der Rush-Hour knallt, will ich nicht ausmalen, was dann passiert…
Mein Arbeitsgeber plant Home Office/Telearbeit, weil in der Region Stuttgart die Verkehrsbedingungen als unzumutbar bewertet werden. Das sagt alles. Auf die nächste Preissteigerung freue ich mich natürlich.