Wo steht die Stuttgarter S-Bahn?

„Wo steht die Stuttgarter S-Bahn?“ war in den vergangenen Wochen für Zehntausende täglicher S-Bahnfahrer allzu oft eine höchst unangenehme reale Frage. Man sah die Bahn vielfach nicht einmal stehen. Sie blieb einfach aus und ließ ihre treuen Fahrgäste allein. Und die Lautsprecher am Bahnsteig wussten für die Reisenden vielfach kaum Verwertbares zu sagen.

Die S-Bahn war den Menschen in der Region Stuttgart schon kurz nach ihrer Inbetriebnahme 1978 regelrecht ans Herz gewachsen. Brachte sie die Berufspendler schneller als bisher in die Stadt zum Arbeitsplatz, ersparte ihnen die nervige Parkplatzsuche und den Familien oft sogar den davor unverzichtbaren Zweitwagen. Die S-Bahn war schnell und pünktlich, vereinzelte Störungen fielen nicht ins Gewicht. Sie funktionierte bestens. Dies hat sich dramatisch verändert. Pünktlichkeit und Anschlusssicherheit gingen mehr und mehr verloren. Wir werden an dieser Stelle im Internet sukzessive darzustellen versuchen, wo die Gründe für diese dramatische Veränderung zu suchen sind.

Die Presse berichtet zwar brav über die Störungen. Aber die dabei verlautenden Erklärungen der Bahn wirken hilflos, beschreiben die Symptome, bitten um Verständnis, sagen Untersuchung der Störungen zu und anderes mehr. So wirkte es fast rührend, wie sich die Betreiber bemühten, Tatkraft zu demonstrieren, als sie die neu gelieferten S-Bahnzüge der Baureihe 430 wieder komplett aus dem Verkehr zogen. Die schweizerische Fachzeitschrift Eisenbahnrevue International formuliert in Ausgabe 6/2013 eine düstere aber durchaus ernst zu nehmende Vorahnung: „Implodiert die Stuttgarter S-Bahn?“ Denn von Eisenbahn verstehen die Schweizer etwas.

Von Konzepten und Lösungen zur Verbesserung ist offiziell so gut wie nichts zu hören. Da ist es nur konsequent, wenn Matthias Lieb vom Verkehrsclub Deutschland als Lösung Rosskur und Rückschritt zugleich postuliert, man solle doch am besten die Fahrpläne der S-Bahn strecken und die Fahrzeiten verlängern. Natürlich hätte das unabsehbare Konsequenzen für die übrigen öffentlichen Linienverkehrsnetze der ganzen Region. Aber es wäre ehrlich und würde vielleicht die Chance bieten, dass die Fahrpläne außerhalb der Stammstrecke Hauptbahnhof – Schwabstraße wenigstens annähernd eingehalten werden.

Stuttgart 21 kann der S-Bahn ganz sicher nicht helfen. Während der langen Bauzeit wird zeitweise Chaos entstehen, wie im oben zitierten Artikel der Eisenbahnrevue International zu Recht befürchtet wird. Die Umsteigewege zwischen Kopfbahnhof und S-Bahnstation verlängern sich teilweise erheblich und durch während der Bauzeit bereits in den Vorortbahnhöfen endende Regionalzüge, etc. wird das Fassungsvermögen sowohl der S-Bahnzüge als auch der verringerten und verengten Zu- und Abgangswege im Hauptbahnhof zeitweise überfordert sein.

Auch der Zielzustand von Stuttgart 21 wird Nachteile für die S-Bahn mit sich bringen. Allem vorneweg würde der Kopfbahnhof schmerzlichst fehlen, um bei gestörter Stammstrecke den Verkehr wenigstens noch einigermaßen aufrechterhalten zu können. Durch die Zusammenführung der Strecken von Bad Cannstatt und Feuerbach bereits vor der neuen Station Mittnachtstraße entfällt der heute im Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs bestehende zweigleisige und hochwichtige „Pufferbereich“ für die S-Bahnzüge vor dem Innenstadttunnel. Das, wenn auch geringe, Mehr an Reisezeit durch den zusätzlichen Halt wird die Anschlussknoten Vaihingen, Böblingen und Herrenberg empfindlich stören bzw. sogar sprengen. Die Verkehrsabstimmung auf dem eingleisigen Bereich der S4 zwischen Freiberg und Backnang wird Probleme bereiten. Und auf den Fildern gerät die S-Bahn durch die Regional- und Fernzüge in Störfeuer und Konkurrenz zugleich. Die fachkundige Schweizer SMA – einer Parteinahme gegen Stuttgart 21 völlig unverdächtig – sagte der S-Bahn mit Stuttgart 21 schwere Zeiten voraus.

Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, von dem ab es definitiv nicht mehr reicht, erboste Leserbriefe an die Zeitungen zu schicken. Wir müssen die Verantwortlichen für die S-Bahn, also den Regionalverband und die Bahn als Betreiber von nun an direkt angehen, in Zugzwang bringen und an ihre Verantwortung erinnern. Dort muss die ganze Energie auf die (Wieder-) Herstellung eines leistungsfähigen S-Bahnverkehrs im bestehenden Netz gerichtet werden. Andere Wünsche und Überlegungen müssen zurückstehen, Stuttgart 21 inklusive.

3 Gedanken zu „Wo steht die Stuttgarter S-Bahn?

  1. Klaus Wößner Beitragsautor

    In das S-Bahnsystem zu investieren, um es weiter zu ertüchtigen bzw. wieder auf Qualität zu bringen, wäre in jedem Fall S21 vorzuziehen. Zumal S21 sowohl während der Bauzeit, als auch im Endzustand der S-Bahn erhebliche Probleme bereiten wird. Ein komplett neues S-Bahn-System müsste es vermutlich nicht einmal sein.

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  2. Rainer Lampatzer

    Jetzt rächt sich, dass man in Stuttgart auf Stadtbahn + S-Bahn setzte, anstatt zusätzlich zur heutigen S-Bahn eine S-Bahn- Querlinie (über Degerloch nach Möhringen) zu bauen und den Rest der Straßenbahn oben zu lassen.

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