Notbetrieb bei der S-Bahn

S-Bahn-Einfahrt vom Gleisvorgeld in den Stammtunnel

S-Bahn-Rampe zum Stammtunnel. Auf das Bild klicken, um es zu vergrößern.

Zum mehrfach wiederholten Mal musste am vergangenen Dienstag die Stuttgarter S-Bahn gesamthaft auf Notbetrieb umschalten. Die Stuttgarter Zeitung berichtete am 8.11.2017 in S-21-Arbeiten bringen S-Bahn aus dem Takt u. a. von 14 gravierenden S-Bahnstörungen innerhalb von 24 aufeinanderfolgenden Arbeitstagen.

Damit verbunden war im Durchschnitt etwa jeden dritten Tag, in der Hauptverkehrszeit vom 15-Minutentakt auf 30-Minutentakt umzustellen, von den weiteren damit verbundenen Zugausfällen, vorzeitigen Wenden einzelner Linien und Verspätungen ganz abgesehen.

Natürlich ist es nie auszuschließen, dass unvorhersehbar Schäden auftreten. Endlich wurde auch erkannt, dass das Alter und der Zustand der S-Bahnanlagen für viele Störungen verantwortlich sind. Um den Zustand zu verbessern, hat man im vergangenen Jahr das wöchentliche sogenannte Wartungsfenster in der Nacht von Montag auf Dienstag eingeführt, in dem ab 22:30 Uhr auf der Stammstrecke nur eingeschränkt gefahren wird. Auch diesen Preis muss man für Verbesserung bezahlen.

Aber jetzt werden während der Woche auch noch in anderen Nächten, die nur ein sehr kurzes Zeitfenster für Arbeiten am Gleis bieten, durch Stuttgart 21 entstandene Arbeiten eingeschoben. Da wird an der wohl sensibelsten Stelle des Gleisvorfelds zum Hauptbahnhof an einer Weiche gearbeitet, wo maximal eine Stunde später wieder mit Höchstlast gefahren werden muss. Die Wiederinbetriebnahme der Weiche misslingt, der Notfall ist da und zwingt während der morgendlichen Spitzenverkehrszeit zum wiederholten Mal zur Halbierung des S-Bahnangebots.

So kann und darf es beim besten Willen nicht weitergehen!

Mit den durch nicht vorhersehbare Schäden verursachten Störungen muss man sich weithin abfinden, weil die beste vorbeugende Wartung nicht jegliche Störung ausschließen kann. Das montäglich erweiterte nächtliche Wartungsfenster ist lästig, soll und kann aber helfen, daher müssen wir diese Kröte In Gottes Namen schlucken. Aber Vorarbeiten für Stuttgart 21 an derart sensibler Stelle auch noch in die Nächte unter der Woche hineinzupressen, geht eindeutig zu weit. Daher sind an die DB Netz bzw. an die DB Projektgesellschaft Stuttgart – Ulm unmissverständliche Forderungen zu stellen:

  1. Eingriffe jeglicher Art in den genannten sensiblen Gleisbereich um den Hauptbahnhof sind ausschließlich in die Nacht von Samstag auf Sonntag vorzunehmen, wenn anschließend ohnehin nur im Halbstundentakt gefahren wird. Der S-Bahn-Nachtverkehr (60-Minutentakt) dürfte bei Wegfall eines Gleises trotzdem gelingen, erforderlichenfalls ist der Fahrplan anzupassen.
  2. Bis zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2017 werden S21-bezogene Vorarbeiten ganz unterlassen. Denn mindestens bis dahin muss wenigstens eine Weiche im Gleisvorfeld auf der S-Bahnzufahrt von Bad Cannstatt kommend noch funktionsfähig bleiben, damit die Einfahrt von Regionalzügen auf Gleis 1 des Hauptbahnhofs noch möglich ist.

Es soll nur keiner kommen und behaupten, die für S21 drohende Verspätung verlange genau jetzt diese offenbar störungsträchtigen Eingriffe. Es steht keinem Vorhaben zu, den Kampf gegen eigene Probleme auf dem ohnehin schon arg malträtierten Rücken der S-Bahnbenutzer auszutragen.

Die DB Regio S-Bahn gehört genau genommen zu den Leidtragenden der Situation. Aber wenig hilfreich sind Äußerungen, wie die Stuttgarter Zeitung den Sprecher dieses Unternehmensteils zitiert, man sei von der Anfälligkeit der Infrastruktur überrascht. Wenn geplagte S-Bahnbenutzer nun fragen, ob man dort über die tägliche Realität überhaupt Bescheid weiß, könnte es kaum verwundern.

Auch die DB Regio S-Bahn und mit ihr der Verband Region Stuttgart müssen alles zur Verbesserung mögliche beitragen. So gilt es – soweit noch nicht geschehen –, alle halbstündlichen Grundtaktzüge der einzelnen Linien als Langzüge auf die Strecke zu schicken, um für den zeitweise täglich notwendigen Rückfall auf den Halbstundentakt wenigstens mit der dann noch höchstmöglichen Kapazität vorzusorgen. Im August 2016 hatten wir die sarkastische Frage gestellt: „Wäre es womöglich besser, das Notfallkonzept in den werktäglichen Regelbetrieb zu übernehmen und den Normalbetrieb nur in der verkehrsarmen Zeit zu fahren? Mittlerweile möchte man fast empfehlen, den Notfallfahrplan nun offiziell zu publizieren, der den Grundtakt der S-Bahnlinien und am besten auch gleich die vielfach damit verbundenen Kappungen einzelner Linien in Kornwestheim. Zuffenhausen oder Bad Cannstatt ausweist und erklärt. Denn der Großteil der S-Bahnbenutzer weiß nach dem lapidaren Hinweis auf den Rückfall auf Halbstundentakt bestimmt nicht auf Anhieb, welche S-Bahn nun wirklich fährt. “

Bisher entstand der Eindruck, dass man bei DB Regio S-Bahn die von DB Netz oder anderen DB-Teilen zu verantwortenden Probleme nicht öffentlich ansprechen und kritisieren will. Im Innenverhältnis mag das anders sein, jedoch bekommt davon offiziell niemand etwas mit. Vielleicht will man nicht unkollegial sein, weil bei der DB Netz ja auch Bahner sind. Vielleicht hat man auch Hemmungen, weil noch immer die oberste Bahnführung und das Bundesverkehrsministerium sich ganz, die politischen Gremien sich mehrheitlich hinter Stuttgart 21 stellen. Würde man der DB-Führung mit Kritik gewissermaßen in die Seite fallen, könnte dies vielleicht Chancen für die Zukunft gefährden. Tatsächlich wäre die offene Kritik nur ein Akt der Notwehr, um nicht später für Probleme haftbar gemacht zu werden, an denen einen selbst keinerlei Schuld trifft.

Abschließend noch eine Bitte an alle leidgeplagten S-Bahnbenutzer:

Lassen Sie Ihren Ärger, der Sie auch in Zukunft manches Mal überfallen wird, bitte keinesfalls an den Bediensteten und Fahrern der S-Bahn aus. Denn die sind es, die am meisten unter den Störungen leiden und trotzdem alles Menschenmögliche tun, damit der reduzierte Verkehr wenigstens ordentlich läuft. Auch der größte Ärger rechtfertigt nicht im Ansatz die unanständigen und teilweise strafwürdigen Handlungen gegenüber Bahnpersonal, über die im Fernsehen kürzlich berichtet wurde.

4 Gedanken zu „Notbetrieb bei der S-Bahn

  1. Bahnsinniger

    Zitat:
    „Lassen Sie Ihren Ärger, der Sie auch in Zukunft manches Mal überfallen wird, bitte keinesfalls an den Bediensteten und Fahrern der S-Bahn aus.“

    Na, an wem denn sonst? Alle anderen sind doch kollektiv in Deckung gegangen und verstecken sich hinter EDV-Systemen. Keiner will verantwortlich sein, keiner will was unternehmen, außer an Symtomen herumzudoktern und das Chaos zu verwalten. (Wenn ich dürfte, würde ich ja helfen, aber das würde ja die — um es freundlich auszudrücken — mangelhafte Ausbildung der am Betrieb beteiligten offenbaren.)

    Da muss schon auch am Front-End seinen Ärger loswerden können. Zumal alles in sich „hineinzudrücken“ zu Depression, Stress und letztlich zu schlimmeren „Explosionen“ führen kann als gleich Dampf abzulassen.

    Klar, Körperverletzung oder unberechtigte Beleidigungen gehen gar nicht, aber man muss schon mal qualifiziert schreien oder wettern dürfen, denn sonst wird die Stimmung ja nicht offenbart, die mittlerweile unter den Kunden allgemein herrscht.

    Wen ich in der Firma unberechtigt Druck bekomme, dann leite ich ihn ab oder spiele den Ball weiter an die, die den Mangel zu verantworten haben. Das kann z.B. nur eine einfache Mitteilung nach oben über die Stimmungslage sein oder eine Aufklärung darüber, wo die „Oberen“ irren. Deshalb und auch wegen anderer Dinge im täglichen S- und Stadtbahn-Verkehr tun die Fahrer, Kontrolleure und eben nicht „alles Menschenmögliche“.

    Da wird „sportlich“ gefahren, dass man Genickbruch fürchten muss, da werden Halteplätze verfehlt und Blinde treten ins Leere, da wird der gesunde Menschenverstand ausgeschaltet und mit rauchenden Achsen weitergefahren, Richtung Tunnel, da werde ich dumm-dreist vom S-Bahn-Zug-Fahrer angemacht, weil ich mich lauthals beschwere, dass nicht mal nachts um 23:30 die S-Bahn so pünklich ist, dass ich den halbstündlichen Bus erreiche, mit dem Hinweis „fahren Sie nie S-Bahn? Hauen sie ab!“ als solle man das gefälligt gewohnt sein … nur um einige Beispiele zu nennen.

    Als Gewerkschaftler und Betriebsrat-Anwärter muss ich zudem sagen, wenn die Bediensteten zu sehr leiden, dann müssen sie sich zusammentun und sich wehren! Wenn das zu Streik für bessere Zustände führt, dann bin ausnahmsweise mal erfreut darüber, dass die S-Bahn ausfällt.

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    1. K. Wößner

      Lieber Bahnsinniger,
      wenn es Ihnen geholfen haben sollte, mit Ihrem Kommentar etwas Dampf abzulassen, dann sei es schon recht. Ärger nur in sich hineinzufressen, ist bestimmt nicht gut. Aber weil der Fahrer des S-Bahnzuges meist der einzige Bahner in der Nähe ist, darf man seinen Ärger an ihm auslassen? Dann könnten Sie genausogut den Fahrgast auf dem Bahnsteig nehmen, der mit ultimativer Bierruhe das Problem ignoriert und jegliche Solidarität mit Ihnen vermissen lässt, indem er sich eben nicht öffentlichkeitswirksam mitärgern will. Sorry, aber Ärger rauslassen oder Dampf ablassen bedeutet nicht zwangsläufig, ihn an irgendjemand auszulassen. Und dem S-Bahnfahrer, von dem Sie sich „dummdreist angemacht“ gefühlt haben, ging es offenbar wie Ihnen: er hat in gleicher Währung seinen Ärger Ihnen zurückgezahlt und nicht einfach geschluckt.

      Dass die Fahrer oder Fahrerinnen der S-Bahn teilweise auch etwas ausgeglichener oder präziser fahren könnten, ist schon richtig. Aber wie man mit einem S-Bahnzug so sportlich fahren kann, dass Genickbruch droht, ist mir übrigens rein physikalisch nicht erklärbar. Und falls die Achsen rauchen, bringt das Sicherheitssystem des Fahrzeugs den Zug vielleicht schon zum Stehen, bevor der Fahrer das Problem überhaupt wahrgenommen hat.

      Wenn Sie gewerkschaftlich und betriebsrätlich aktiv sind, würde ich Sie eher animieren, im Kontakt mit dem Fahrpersonal mal zu hinterfragen, wie man dort mit den Problemen und dem Druck umgeht und was man für Veränderungen tut. Diese Vorgehen müsste Ihnen aus Ihrem Engagement ja geläufig sein. Dass für die berechtigte und ggf. massive Kritik an den Zuständen das Fahrpersonal nicht die richtige Adresse ist, müsste Ihnen als Bahnsinniger eigentlich klar sein.
      Freundliche Grüße
      K. Wößner

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  2. Hassliebender

    Meine Liebe zur Bahn an sich ist ungebrochen, sonst würde ich hier nicht schreiben und trotzdem fast jeden Tag Züge benutzen. Mein Hass auf die DB AG steigt jedoch täglich.

    Auch der Autor des Artikels scheint eine solch geartete Hass-Liebe zu pflegen.

    Er hat absolut recht: so kann es nicht weitergehen!

    Denn nicht nur der Fahrgast ist ein Leidender, sondern auch dem System Bahn an sich wird Leid zugefügt, teilweise nachhaltiges — vom bleibenden schlechten Image ganz abgesehen.

    Danke!

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  3. Hosea Winter

    Leider muss ich hier sagen, dass oft auch sowohl die Fahrgäste, als auch die Züge, an den Verspätungen Schuld sind.

    Ein gutes Beispiel hierfür war der heutige Tag, wo einen S-Bahn mit einer Verspätung von 7 Minuten, wegen der Weichenstörung, an der Stadtmitte abfuhr und mit 14 Minuten Verspätung in Ehningen ankam. An fast jeder Station hielten Fahrgäste die Türen offen.
    Es lag keine Störung oder Langsamfahrstelle vor, die die Verspätung hätte verursachen können. Aber auch die neuen Züge (BR 430) fördern das Problem: So ist nach dem Löschen der Freigabe kein Piepen an den Türen zu hören, wenn diese blockiert werden. Da viele (vor allem junge) Menschen so intensiv mit ihrem Handy beschäftigt sind, dass sie nicht auf das Piepen an anderen Türen hören, merken diese oft nicht, dass sie den Betrieb stören. Allein heute machte ich zwei Jugendliche auf ihr Fehlverhalten aufmerksam. Diese bedankten sich und es war ihnen offensichtlich peinlich, dass sie hunderte Fahrgäste an der Weiterfahrt gehindert hatten.

    Ich bin selbst Schüler und merke dieses Fehlverhalten unter anderem auch bei anderen Schülern, die sich ebenfalls über die S-Bahn beschweren und die Probleme kennen.

    Daher appeliere ich an die Fahrer der S-Bahn gleich nach dem Löschen der Türfreigabe, wenn dann noch Türen offen sind, eine Ansage durchzugeben, sodass alle Fahrgäste wissen, dass die Bahn losfahren will.

    MfG,
    Hosea Winter

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