Die S-Bahn Stuttgart hat die offiziellen Pünktlichkeitsdaten für das Jahr 2024 veröffentlicht. Nachdem sich die Pünktlichkeit im ersten Halbjahr weiter verschlechterte, gab es ungefähr um die Jahresmitte eine Trendumkehr. Die Pünktlichkeit ging wieder deutlich nach oben und erreichte zum Jahresende 2024 in etwa das gleiche Niveau wie zum Jahresende 2023. Im Detail betrachtet hat sich 2024 die 3-Minuten-Pünktlichkeit leicht verschlechtert, die 6-Minuten-Pünktlichkeit dagegen leicht verbessert.
Gemessen an den Zielwerten lag die Pünktlichkeit 2024 natürlich noch immer auf einem viel zu niedrigen Niveau. Aber nach mehreren Jahren der kontinuierlichen Verschlechterung ist es schon ein Lichtblick, wie die Pünktlichkeitskurven seit dem 3. Quartal endlich wieder deutlich nach oben verlaufen. Die Pünktlichkeitswerte könnten Mitte 2024 tatsächlich die Talsohle erreicht und wieder verlassen haben.
Dennoch mag sich noch kein richtiger Optimismus einstellen, wenn man die 2025 und 2026 durch die Digitalisierung und Stuttgart 21 gerade für die S-Bahn sich abzeichnenden massiven Herausforderungen betrachtet. Es bleibt die Hoffnung, dass die Erfahrungen aus den bisher häufigen und unliebsamen Störungen des S-Bahnverkehrs zu einem Lernprozess geführt haben werden, in den kommenden Jahren des „Finish“ von Stuttgart 21 und des Digitalen Knotens Stuttgart mit den Herausforderungen und Einschränkungen besser, souveräner und für den laufenden Verkehr schonender umgehen zu können.
Pendler können den hier verbreiteten Optimismus nur schwerlich nachvollziehen. Im Berufsverkehr ist die Unpünktlichkeit der S-Bahn eher die Regel als die Ausnahme. Anschlussverbindungen sind Glückssache. Die Fahrtzeiten von S-Bahn-Anschlussverbindungen gegenüber dem Auto sind mittlerweile völlig unattraktiv – vor allem in den Abendstunden. Die mobile Gesellschaft muss erkennen, dass die politisch gewollte und mit Milliardeninvestitionen geförderte Verkehrswende gescheitert ist. Grund hierfür ist ein mechanistisches Verständnis des Bahnbetriebs. Kundenbedürfnisse werden zentralistischen Planvorgaben schlecht koordinierter Dienststellen untergeordnet. Störungen kann das komplexe Verkehrssystem nur unzureichend bewältigen. Angesichts systematisch eingeschränkter Entscheidungsspielräume (infolge von Zentralisierung und Technisierung) lehnen immer mehr operative Bahn-Mitarbeiter eine Verantwortungsübernahme ab und berufen sich auf „Dienst nach Vorschrift“. Im Zuge der Technisierung der letzten Jahrzehnte wurden die Qualifikationsanforderungen an operative Bahn-Mitarbeiter deutlich gesenkt. Diesen Systemfehler wird auch die „Digitale Schiene“ nicht heilen können. Vonnöten wäre eine erhebliche Aufstockung qualifizierten Personals für eine dezentrale Steuerung und Lenkung der regionalen Verkehrsströme. Der Individualverkehr veranschaulicht beispielhaft, wie eine dezentrale Steuerung komplexe Situationen grundsätzlich besser bewältigen kann.