Die S-Bahn Systeme in Metropolen im Vergleich

Unsere Stuttgarter S-Bahn steht gerade im Mittelpunkt der Kritik, alle schimpfen, es läuft mehr und mehr aus dem Ruder. Was ist der Grund ?

Was haben die S-Bahnen in anderen Regionen, was Stuttgart nicht hat?

Fangen wir ganz banal mit München an. München erhielt zur Olympiade 1972 ein komplett neues S-Bahn-System mit einem Tunnel vom Hauptbahnhof zum Ostbahnhof. Bisher einmalig in Deutschland sind die beidseitigen Bahnsteige bei drei Stationen im Zentrum, eine Seite nur zum Aussteigen, die andere Seite nur zum Einsteigen. Damit kann die Haltezeit erheblich reduziert werden, eine geniale, aber auch recht teure Lösung. Heute kann man die Münchner S-Bahn als sauber, gepflegt und halbwegs pünktlich bezeichnen. Es werden nur noch (recht neue) Triebwagen der Baureihe 423 eingesetzt. Mit Ausnahme der Strecke nach Altomünster gibt es allerdings keine konkreten Projekte, die S-Bahn auszubauen. Die zweite Stammstrecke in der Innenstadt wäre notwendig und sinnvoll, wird aber seit Jahren durch die Politiker blockiert. Eingleisige Strecken im Außenbereich sollten zumindest abschnittsweise mit einem zweiten Gleis ergänzt werden, aber auch hier fehlt der Wille der Politiker – wie bei fast allen Bahnprojekten in Bayern.

Oder Zürich: Zürich hat heute ein sehr beeindruckendes S-Bahn-Netz. Auch hier sind die Fahrzeuge modern und sauber, teilweise fahren Doppelstockzüge, der Betrieb läuft trotz der zahlreichen eingleisigen Strecken recht pünktlich. Der Ausbaustandard ist etwas bescheidener als bei uns, mit einzelnen Bahnübergängen und nur halbhohen Bahnsteigen, was aber bei Mittelflur-Einstiegen völlig ausreicht. Von Zügen, die einfach gestrichen werden, habe ich dort noch nie was gehört. Und dann gibt es einige Strecken, die als Express-S-Bahn geführt werden, eine sehr sinnvolle Beschleunigung des Betriebs, nicht jeder Zug muss an jeder Station halten. Ergänzt wird die S-Bahn durch drei private Strecken, die gut ins SBB-Netz integriert sind.

Nächstes Beispiel, Bern: eine etwas kleinere Stadt mit einem gewaltigen S-Bahn-Netz, Ausbaustandard ähnlich wie Zürich, also nichts übertrieben, alles nur soweit nötig. Und auch typisch für die Eisenbahnpolitik der Schweiz. Sehr viele eingleisige Strecken, teilweise mit sogenannten Doppelspurinseln ergänzt. Und es gibt sogar drei gut funktionierende Meterspur-Linien! Man kann sich hier fragen, ob die ganze Umspurung der Stuttgarter Straßenbahn wirklich notwendig war oder ob es damals ausschließlich um Subventionsgelder ging. Es wurde und wird in Bern sehr viel investiert, der Gesamteindruck ist sehr gut, alles läuft recht pünktlich und das Netz wird systematisch weiter ausgebaut. Teilweise ist es heute bereits an der Kapazitätsgrenze.

Beispiel 4, Karlsruhe: Natürlich ist Karlsruhe ein Sonderfall, mit den Zweisystem-Triebwagen der Albtalbahn (AVG) auf Eisenbahnstrecken. Die Franzosen sagen dazu „tram-train“ und das trifft die Situation sehr genau. Ein bisschen Straßenbahn, ein bisschen Eisenbahn, aber von der Strecken- und Betriebsführung her eben doch eine kleine S-Bahn. Es ist bewundernswert, mit welch geringem Aufwand ein wirklich riesiges Netz geschaffen wurde, von Achern bis Öhringen und von Bietigheim bis Germersheim. Eindeutig der Verdienst des genialen Dr. Ludwig von der AVG! Die Franzosen? Die würden hier nur „chapeau“ sagen. Die Albtalbahn ist das ganz große europäische Erfolgsmodell, keine S-Bahn wurde auch nur annähernd so erfolgreich ausgebaut. Die für die Stuttgarter S-Bahn verantwortlichen DB-Mitarbeiter sollten alle mal verpflichtet werden, zwei Tage mit der Karlsruher S-Bahn herum zu fahren und sich alles anzuschauen. Und auf den freien Sitzen könnte man gleich noch die Kommunalpolitiker mitnehmen, wahrscheinlich haben auch die keine Ahnung, dass es woanders (und nicht mal weit weg von Stuttgart) zehn Mal besser läuft.

Und Stuttgart: Verspätungen ohne Ende. Züge, die einfach gestrichen werden, das ist die absolute Frechheit. Alte Züge der Baureihe 420, ohne Übergänge, ohne Klimaanlage, mit einem hohen Geräuschpegel, innen wie außen abgewirtschaftet. Die neuesten Züge der Baureihe 430 mit der Schiebetritt-Fehlkonstruktion, die nicht mal im Sommer problemlos funktioniert, unglaublich, dass sowas passieren kann. Dadurch wird die Haltezeit unnötig verlängert und der ganze Fahrplan in Frage gestellt. Frankfurt hat bekanntlich die gleichen Züge ohne den Schiebetritt bestellt, die waren wohl intelligenter. Die neuesten Schweizer S-Bahnen der Baureihe 623 und 611 haben auch einen Schiebetritt, der offensichtlich besser funktioniert, er wird auch erst bei schon geschlossenen Türen und nach der Abfahrt eingezogen, wodurch der Zeitverlust praktisch entfällt.

Eine mögliche Erweiterung des Netzes wird nach den letzten Eröffnungen im Dezember 2012 nicht mehr ernsthaft diskutiert, dabei gäbe es noch genügend geeignete Strecken: Markgröningen, Strohgäubahn, Schusterbahn, Göppingen, Lauffen, Vaihingen/Enz. Auch die Einrichtung von Express-S-Bahn-Strecken ist zur Zeit kein Thema, gerade hier gäbe es viele Ansätze.

Da gab es vor langer Zeit mal den dummen Spruch „Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen“, heute sollte man sagen „Von den Schweizerbahnen lernen heißt erfolgreich Eisenbahn fahren“, aber soweit sind wir noch lange nicht. Erst mal lernt die DB bei der Stuttgarter S-Bahn  nichts aus ihren Fehlern, dabei lief unsere S-Bahn vor 30 Jahren so gut wie fehlerfrei. Es wird eher noch schlechter, wenn man die jüngste Vergangenheit betrachtet.

Das heutige Image der Stuttgarter S-Bahn ist so schlecht, dass es fast nicht mehr schlechter geht.

Man muss bei uns nur mal die Stuttgarter S-Bahn mit unserer Stadtbahn vergleichen ; die Stadtbahn ist modern, sauber innen und außen, komfortabel, frei von Graffiti, und sie hat gute Fahreigenschaften. Sie wird von den Fahrgästen angenommen, man sieht das an den laufend steigenden Fahrgastzahlen. Man kann sagen, ohne zu übertreiben, ein echtes Erfolgsmodell. Warum geht das bei der Stadtbahn und bei der S-Bahn nicht?

Liegt es wirklich nur an der DB? Hat die DB am Ende gar kein Interesse an den Fahrgästen? Man kann es fast glauben! Hat die Bahn sich zu Tode gespart? Bei der Fahrzeugreserve, bei der Infrastruktur oder beim Personal? Sicher bei allen drei!

Gruss Klaus I.

3 Gedanken zu „Die S-Bahn Systeme in Metropolen im Vergleich

  1. Ulli Fetzer

    Zur Stuttgarter S-Bahn: In den letzten Tagen habe ich zweimal persönlich erlebt, dass selbst die LCD-Anzeigen falsch waren.

    Anzeige in Bad Cannstatt: 2 min S3 Backnang – Zug fällt heute aus. Komisch dachte ich, wenn er ausfällt, wieso kommt er dann in 2 min? Nach 2 min kam eine S2 nach Schorndorf, das stand weder auf der Anzeigetafel, noch wurde es durchgesagt.

    Anzeige und Durchsage in Hbf tief: S1 nach Kirchheim fährt ein. Ich stieg ein und in Bad Cannstatt aus, weil ich nach Waiblingen wollte. Der Zug fuhr ab, am letzten Wagen und auf der Anzeigetafel stand ‚Backnang‘.

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    1. Jörg Conrad

      Das Karlruher Verfahren ist erstmal sehr positiv zu bewerten. Man fährt vom Dorfbahnhof „XY“ bis in die Karlsruher Innenstadt. Negativ würde ich den Komfort bezeichnen . Wenn ich von Bietigheim bis Wilferdingen fahre ,zöge ich mir den Doppelstockzug vor. Und mit der Pünktlichkeit ist es auch nicht so bestellt. Wie oft werden wir mit dem IRE Stuttgart -Karlsruhe durch die Stadtbahn ausgebremst.Umgedreht ist es auch so .Wenn sich eine Stadtbahn ,die überall hält ,vor einen Stadtbahn-Eilzug ,der Richtung Pforzheim verkehrt vordrängelt ,hat der Fahrdienstleiter Grötzingen verloren. In der Stadt wird nach BOB Strab gefahren ,auf normalen Strecken nach EBO. Das sind zwei ganz verschiedene Seiten. Dann stellt sich auch der IRE oder der RE hinten an.
      SSB ,die haben ihre Depot`s ,wo die die Züge nachts stehen oder gewartet werden. Die S-Bahn-Einheiten stehen auf Endbahnhöfen ,wo schon Sprayer ihre Chance haben ,ihr Werk zu verwirklichen. Die werden auch überwacht, aber auch Sicherheitskräfte können nicht überall sein. Im Übrigen fahre ich auch viel mit der SSB ,da gibt es auch Fpl-Abweichungen ,da diese ja genau externen Einflüssen unterliegen. Also mal die Kirche im Dorf lassen.

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  2. Leo Fink

    Man darf aber nicht vergessen, dass der CEO der DB Stadtverkehr AG nun CEO der SBB in der Schweiz ist.
    Leider scheint sich die Tendenz der Brliner S- Bahn auch in der Schweiz abzuzeichnen. MEyer weiss schon, wie man Druck aufbaut, und am Schluss juristisch nicht belangt werden kann!

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