Stuttgart 21 — beschwerliche Umsteigewege zwischen Fern-/Regional- und S-Bahn

Die Bauarbeiten für Stuttgart 21 werden sehr, sehr lange dauern, daran besteht kein Zweifel mehr. Und es hat mit Pessimismus gar nichts zu tun, wenn man davon ausgeht, dass Stuttgart 21 frühestens in 15 Jahren, also bis 2028 fertig gebaut sein könnte. Wir sprechen in Bezug auf die Dauer der Interimslösungen während des Baus von Stuttgart 21 also nicht von Bauzeit im gebräuchlichen Sinne, sondern geradezu von einer „Bau-Epoche“.

Wenn die Arbeiten für die Baugrube des Tiefbahnhofs beginnen, gibt es von den Fern- und Regionalbahnsteigen im Kopfbahnhof nur einen sehr langen Weg zur S-Bahn. Er führt über zwei schmale Stege, durch die Querhalle, über zwei Treppen durch die große Schalterhalle oder den rolltreppenlosen Mittelausgang, in die stark began­gene Klett-Passage und von dort alternativ über zwei weitere sehr lange Treppen hinunter auf den S-Bahnsteig. Vor dem einzigen, viel zu gering dimensionierten Aufzug zwischen „Hbf oben“ und „Hbf tief“ wird es Warte­schlangen und Gedränge geben, weil nur mit ihm Kinderwagen, Rollstühle und großes Gepäck transportierbar sind.  Alle anderen Wege werden geschlossen.

Der Fußweg wurde von mir im Selbstversuch getestet. Ausgangspunkt war im ersten Versuch Gleis 15 und dort ungefähr die Stelle, wo man zukünftig aus dem Wagen 5 des IC oder ICE aussteigt. Mit normaler Gehgeschwindigkeit, ohne Gepäck nur mit Aktentasche und ohne jede Behinderung – also unter idealen Bedingungen – betrug die reine Gehzeit donnerstags um 11:30 Uhr 6 Minuten 55 Sekunden. Im zweiten Versuch erwartete ich Frei­tags kurz vor 17:00 Uhr die Einfahrt des IC 1269 von Karlsruhe nach Salzburg, der 5 Minuten verspätet am 16:54 Uhr auf Gleis 15 eintraf. Nach Stillstand des Zuges nahm ich Position nahe des vorderen Ausgangs von Wagen 7, der zukünftig von der Standposition her Wagen 2 entspricht. Nachdem der siebte Reisende den Zug verlassen hatte, schlüpfte ich quasi in die Rolle von Ausstiegsfahrgast Nr. 8 mit Rollenkoffer und mit Ziel S-Bahn, reihte mich in den Menschenstrom zum Bahnsteigende ein und nahm den oben beschriebenen Weg zur S-Bahn. Über Fußweg und Rolltreppen traf ich, auch diesmal ohne Stauungen, nach 8 Minuten 10 Sekunden auf dem S-Bahnsteig ein. 

Natürlich gibt es auch Reisende von der S-Bahn zum Fern- oder Regionalzug. Deren Weg testete ich gleich im Anschluss: Ziel war ICE 572 nach Hamburg von Gleis 5. Nach Ankunft der S6/60 um 17:14 marschierte ich wieder los, zunächst, durch die Menge der Ein- und Aussteiger etwas gebremst, den Bahnsteig entlang bis zu einer Rolltreppe. Dann durch die Klett­passage und den Mittelaufgang zum Bahnhof. Aha, da gibt es keine Rolltreppe, also weiter durch die Arkaden bis in die große Schalterhalle, dort die Rolltreppe hoch und die Haupthalle entlang. Durch die in Arbeit befindlichen Verlegungen der Prell­böcke war der Zugang zum bereits hinausverlegten Bahnsteig 5/6 lt. Beschilderung nur mit Umweg zu errei­chen. Und als ich schließlich nach Passieren der Wagen 1. Klasse beim zweiten Wagen der 2. Klasse an der Eingangstür ankam, waren genau 11 Minuten vergangen. Gerade noch eine Minute vor der Abfahrt des ICE. Und der fuhr pünktlich, weil er ja in Stuttgart beginnt. Prompt sah ich noch einige Reisende herbeihasten, die ihm nur noch enttäuscht oder verärgert hinterher blicken konnten.

Wenn die während meiner Tests noch offenen Alternativwege zur S-Bahn durch die Bauar­beiten wegfallen, können wir ganz sicher sein, dass die von mir gemessenen Wegezeiten noch erheblich übertroffen werden. Während der „Bau-Epoche“ von Stuttgart 21 werden also im Hauptbahnhof die Umsteigewege von und zur S-Bahn lang und beschwerlich sein! Dies könnte viele Regionalzugreisende veranlassen, bereits in den Vorortbahnhöfen in die S-Bahn umzusteigen. Dort treffen sie in der Hauptverkehrszeit auf bereits gut gefüllte bis überfüllte S-Bahnen. Damit droht für alle S-Bahnreisenden die Fahrt zwischen Vorort- und Hauptbahnhof zur großen Belastung zu werden. Einsteiger auf den Zwi­schenbahnhöfen müssen gar fürchten, wegen Überfüllung nicht mitgenommen zu werden. Wenn im Hauptverkehr alle S-Bahnlinien ausschließlich mit Langzügen befahren werden, mag dies noch ein klein wenig helfen. Wirkliche Reserven hat die S-Bahn aber keine mehr.

Den S-Bahnreisenden gaukelt man heute Besserung nach Abschluss der S21-Arbeiten wie ein Silber­streifen am Horizont vor. Dieser wird allerdings eher zur Fata Morgana werden.  Verbesserungen der S-Bahn durch Stuttgart 21 wird man vergeblich suchen. Es wäre schon ein Glücksfall, wenn es keine Verschlechterung gäbe.

6 Gedanken zu „Stuttgart 21 — beschwerliche Umsteigewege zwischen Fern-/Regional- und S-Bahn

  1. Peter Ocker

    Hallo,
    auch für Sie zur Info.
    Diese Mail ging gestern an die VVS und an die Bahn raus.
    Die Hoffnung, dass sich in den nächsten Jahren etwas ändern wird, habe ich aber aufgegeben….

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    nach dem ich mich die letzten zwei Wochen im Urlaub erholen konnte, musste ich mich heute Morgen schon wieder über die S-Bahn aufregen.
    Ich weiß jetzt nicht, was mich mehr stört, die ständigen Verspätungen und Ausfälle oder die spärlichen Information…
    Ende Oktober läuft mein Jahresticket aus und ich bin nach nun fast 20 Jahren Montats- bzw. Jahresabonnement schwer am überlegen, ob ich mir wieder ein Jahresticket kaufen soll.
    Sollte in den nächsten Wochen keine wesentliche Verbesserung eintreten, werde ich schweren Herzens aufs Auto umsteigen müssen…

    MfG

    Peter Ocker

    Stuttgart-Vaihingen

    Antworten
  2. Sylvia Keller

    SSB ist super und die S-Bahn der Buhmann?

    Gestern stand etwas in der Stuttgarter Zeitung. Der Ruf von SSB bestens, S-Bahn pfui-bäh. Die Fahrpreise werden wieder erhöht. Aber fließt das Geld in die Schwachstellen? Die neue S-Bahn war eine riesige Fehlinvestition über 500 Mio, die aufgrund der klimatischen Verhältnisse, Störanfälligkeit und zu knappe Taktzeiten nicht funktionieren konnte. Das Geld fehlt wieder an einer anderen Stelle.

    Die SSB fing vor gut 20 Jahren an, ihr Stadtbahn-Netz und Bahnhöfe zu modernisieren, um- und auszubauen. Sie ist immer noch nicht ganz fertig. Es wurde jedoch über einen längeren Zeitraum durchgeführt.

    Die S-Bahn wurde auch ausgebaut, aber ich sehe hauptsächlich Streckenverlängerungen, was zusätzlich noch „Last“ brachte. Teilweise nicht mal zum nächsten Verkehrsknotenpunkt. Das Neckartal anzbinden wäre besser gewesen als Kirchheim, was ungewöhnlich schnell ging. Es wurde nicht ganzes oder halbes. Vieles wurde nur totgespart. Seit den Vorbereitungen zu S21, kommt es richtig zu Tage.

    Ich weiß, so ganz man es jedoch nicht Stadt- mit S-Bahn vergleichen. Die Strecken sind anders und weniger dieses Nadelöhr wie der S-Bahn-Tunnel. Es passen weniger Fahrgäste in eine Stadtbahn. Aber bei der S-Bahn erkenne ich weder ein Konzept noch eine Verbesserung. Das stößt mir etwas sauer auf!

    Der Service bei der SSB ist auch anders. Bei einer Störung oder Unfall kommt gleich jemand oder Informationen. Sicher gabs auch Weichen- und Signalstörungen, aber viel seltener. Die Wägen sind besser klimatisiert.

    Was mich jedoch bei der SSB nervt: Wenn ein Busersatzverkehr eingerichtet wurde, muß die ganze Stadtbahn vorne einsteigen und ihr Fahrkärtle zeigen. Kann man hier nicht auf diese Regelung verzichten? Kontrolliert wird in den Bussen trotzdem.

    Antworten
  3. Sylvia Keller

    Meine Güte! Die Verantwortlichen sollen JETZT schauen, wie es auf dem Hauptbahnhof zugeht. Ohne eine Veranstaltung, ganz normaler Tag. Auch samstags oder sonntags außerhalb den Berufszeiten!

    Ich muß wegen Erledigungen, Freizeit usw. nach Stuttgart und steige unten aus der S-Bahn. Der Bahnsteig ist knübbeldick voll. Kaum Durchgang. Ich muß dann ganz vor oder ganz hinten, der Durchgang ist recht schmal. Rolltreppe hoch. Durch die Unterführung und weiter durchs Gewühl. Oben ist recht unübersichtlich. Als Frau hast Beklemmungen. Zu bestimmten Zeiten, was da unterwegs ist!

    Der Übergang schwimmt gerne bei starken Regen. Aber irgendwie schafft man es zur Königsstraße, die besonders unten knübbeldick voll ist. Ich will nicht wissen, was los wäre, wenn …

    Aufzüge gibts. Aber du mußst gucken, wer wohin fährt! Was tust, wenn wenn du den Aufzug brauchst und nicht auskennst? Ganz hinten gehts zum Bahn. Ein schmaler Aufgang mit Rolltreppe. Dann weitersuchen, wohin muß ich? Es ist irre, was da oben los ist!

    Statt verbesserungen wird das noch weiter verbösert? Ich faß es nicht!

    Der Bahnhof Flughafen ist neu. Kotzhässlich, viel zu dunkel und beängstigend. Man kommt an, steigt aus. Wohin muß ich? Irgendwie schafft man es durch das Gewühl. Aufzug gibts auch irgendwo, aber es staut sich. Bereits außerhalb der Hauptzeit und ohne Messe.

    Zurück, uaaaah! Da unten will ich nicht warten! Alptraum!

    Der Hauptbahnhof wird genauso ganz neu! Mir graust es schon! Bedacht werden auch nicht die, die sich auskennen, ein Koffer, Kinderwagen oder anderes dabei haben, oder einfach nicht gut zu Fuß, unsicher sind oder nicht gut sehen. Teilweise sind die Rolltreppen viel zu steil und zu schnell. Es gibt zu wenig Sitzmöglichkeiten. Es zieht und stinkt. Was da alles unterwegs ist und herumtreibt! Dort fühlt man sich nur unwohl!

    Etwas „Heimeligkeit“ bringt der Kiosk, der jedoch nur bis 21 Uhr geöffnet hat (und sauteuer ist). :-/

    Antworten
  4. Ulli Fetzer

    Aus so manchem Gesprächen mit Bahnfahrern weiß ich, dass Viele gar nicht wissen, dass noch in diesem Jahr der direkte Treppenzugang sowohl von der Kopfbahnhofhalle als auch vom Querbahnsteig zu den Bahnsteigen der S-Bahn (Gleis 101 und 102 in Hauptbahnhof tief) FÜR IMMER geschlossen werden soll – so sieht es jedenfalls der aktuelle Bauablaufplan der DB Projektbau vor.

    Antworten
    1. Ulli Fetzer

      Entweder über den Fußgängerüberweg oder durch die Klettpassage in die große Schalterhalle von dort hoch und über die Brücke über die Baustelle zum Querbahnsteig vor den Gleisen.

      Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Peter Ocker Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert