Als die Bahn am 5. August offiziell mit dem Ausbaggern der 1. Baugrube für den neuen Tiefbahnhof begann, waren die Meinungen dazu gespalten. Die einen freuten sich über den Baubeginn, die anderen protestierten lauthals dagegen.
Eine Woche später, am Dienstag 12. August steht nun ein weiterer „Meilenstein“ an, bei dem es aber selbst eingefleischten Projektbefürwortern sehr schwer fallen dürfe, ihm etwas positives abzugewinnen.
An diesem Dienstag wird nämlich der Zugang zur S-Bahn zwischen dem ehemaligen Gleis 3 und 4 im Stuttgarter Hauptbahnhof (oben) für immer geschlossen, weil er dem Trogbauwerk des S21-Tiefbahnhofs im Wege steht. Dieses Treppenhaus mit Freitreppe und zwei Rolltreppen wird jeden Tag von vielen Tausend Pendlern und Reisenden genutzt, um schnell von den im Hauptbahnhof (oben) verkehrenden Fern- und Nahverkehrszügen auf die S-Bahn umzusteigen sowie umgekehrt. Aber auch Pendler, die nur die S-Bahn nutzen, haben das Treppenhaus oft genutzt, weil bei größeren S-Bahnstörungen auf der Stammstrecke der Hauptbahnhof (oben) von manchen S-Bahnen mitverwendet wurde, um wenigstens einen Notbetrieb aufrecht erhalten zu können.
Abgang zur S-Bahn
Ab Dienstag sind diese Umsteigenden dann gezwungen das Gebäude des Hauptbahnhofs über einen der Ausgänge zu verlassen, um über die in Stoßzeiten stark frequentierte Klett-Passage und eines der drei noch verbleibenden Treppenhäuser über die große, die kleine Schalterhalle, den Mittelausgang und außerdem den Nordausgang zur Klett-Passage und von dort zur unterirdischen S-Bahn Station zu gelangen. Nur der Ausgang über die große Schalterhalle ist komplett mit Rolltreppen ausgerüstet, der Mittelausgang erst ab Straßenniveau. Der Zugang über den Nordausgang geht ohne entsprechenden Wetterschutz ins Freie und von dort über eine im Freien liegende Treppenanlage direkt in die Klett-Passage. Fahrgäste, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, müssen entweder den total unterdimensionierten Aufzug von der Kopfsteighalle direkt zum S-Bahnsteig oder den weiten Weg vom Nordausgang um das neue Technikgebäude herum und dann entlang des Arnulf-Klett-Platzes zur Klett-Passage gehen. Das hat sogar den als glühenden S21-Befürworter bekannten Stadtrat A. Kotz (derzeit CDU-Fraktionsvorsitzender im Stuttgarter Gemeinderat) zu Protesten gegenüber der Bahn veranlasst. Nach der Verlegung der Bahnsteige um rund 120 m weg vom Bahnhofsgebäude und der Schließung des unterirdischen Querbahnsteigs wird dies nun ein zusätzlicher Umweg, der das Umsteigen weiter erschwert und im Extremfall von 7 auf 13 Minuten verlängert. Verpasste Anschlüsse werden dadurch zunehmen.
Wer von Zügen des Fernverkehrs auf die S-Bahn umsteigt und umgekehrt ist von der Schließung massiv betroffen, da er meist keine Alternative hat und im Hauptbahnhof umsteigen muss.
Pendler die von Nahverkehrszügen auf die S-Bahn umsteigen können teilweise an einem anderen Bahnhof (z.B. in Bad Cannstatt) aussteigen, um dann schon dort auf die S-Bahn oder U-Bahn umzusteigen.
Nutzer der S-Bahn erfahren leider oft zu spät von größeren Störungen und den damit verbundenen S-Bahnzügen die dann oft im Hauptbahnhof (oben) verkehren. Schon jetzt bleibt für den Weg von oben nach unten bzw. umgekehrt zu wenig Zeit und diese Situation wird sich durch die Schließung des Treppenhauses und den damit verbundenen längeren Wegen weiter verschlechtern.
Sicher ist, dass es auf den verbleibenden Treppen und Rolltreppen zukünftig noch enger zugehen wird. Speziell in der Hauptverkehrszeit wird die Infrastruktur an ihre Grenzen stoßen.
Ich mag mir nicht vorstellen, was passiert, wenn es in der S-Bahn Station Hauptbahnhof (tief) zur Hauptverkehrszeit zu einem Brand kommt und der Bahnsteig über diese verbleibenden schmalen Treppen schnell geräumt werden muss, ganz abgesehen davon, dass die Treppen-Einhausungen nicht gerade für eine ungehinderte Flucht geeignet sind. Es kann bezweifelt werden, ob die vorgegebene Entfluchtungszeit bei der festgesetzten Personenzahl auch noch über die verbleibenden Treppen erreicht wird. Nicht zuletzt deswegen werde ich persönlich diese S-Bahn Station zukünftig meiden.
Weitere Informationen zur Schließung sind beim VVS zu finden.
Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, das dies wegen dem Brandschutz zulässig ist. Auf dieser Seite drängen sich viele Leute und etas weiter hinten, in der Mitte des stehenden Zuges, ist das Gedränge am größten. Vor allem bei Veranstalltungen in Stuttgart kommt man kaum vorwärts. Wenn das jetzt geschlossen wird und es passiert etwas, endet das in einer Katastrophe. Duisburg lässt grüßen. Am meisten ärgert mich allerdings das Herr Brandschutz ( Stuttgarter Fernsehturm ) OB Fritz Kuhn, völlig auf Tauchstation gegangen ist. Dabei sind hier täglich viele Leute mehr gefährdet als dies beim Fernsehturm der Fall war. Was sagt eigentlich die Stuttgarter Feuerwehr dazu ? Oder sind die gar nicht Zuständig für die S-Bahn in Stuttgart ?
Warum soll dies nicht zulässig sein? Malen Sie bitte nicht den Teufel an die Wand und spielen Sie nicht mit fadenscheinigen Ängsten der Fahrgäste…
Die S-Bahn Station „Hauptbahnhof tief“ verfügt mittlerweile über die modernsten Brandschutz- und Sicherheitseinrichtungen im Stuttgarter S-Bahn Netz (angefangen von den offenen Decken, Rauchmeldern, ELA- und Entlüftungsanlage, Wegleitung, Notbeleuchtung usw). Sie hat 4 !!! voneinander autarke Ein- und Ausgänge, zum Vergleich: Die S-Bahn Station „Stadtmitte“ mit einem etwas geringeren Fahrgastaufkommen hat nur 2 Ein- und Ausgänge.
Unbestritten ist, dass mit dem baustellenbedingten Wegfall des direkten Zugangs zur Fernbahn liebgewonnene Annehmlichkeiten nun für die Dauer der Bauzeit des neuen Tiefbahnhofes entfallen. Ich kenne jedoch keine Baustelle, wo dies nicht so wäre. Darüber ist sicher niemand glücklich, aber wo gehobelt wird…
Freuen Sie sich auf den neuen Tiefbahnhof mit dem dann direkten Zugang zum Fern- und Regionalverkehr und auf die zusätzliche S-Bahn Station „Mittnachtstr.“ 😉
Lieber Herr Robold,
hier spielt niemand mit Ängsten der Fahrgäste und fadenscheinig sind die Ängste sicher auch nicht. Sie sind da und werden zumindest teilweise auch Ernst genommen, wie die diversen Nachrüstungen beim Brandschutz schließlich zeigen. Sie haben ja Recht, dass noch immer 4 Treppenaufgänge vorhanden sind. Aber drei von denen führen in den gleichen Abschnitt der Klettpassage so, dass die Fluchtströme, zwar mit etwas Abstand, aber exakt frontal aufeinander treffen. Bei Flucht vom Bahnsteig neigen Flüchtende im Übrigen zur Flucht über das Ende des Bahnnsteigs möglichst in Geradeausrichtung. Da wäre der Wegfall des jetzt geschlossenen Aufgangs schon ziemlich spürbar.
Den Verlust des direkten Zugangs zu Fern- und Regionalbahn als Wegfall einer liebgewonnenen Annehmlichkeit zu bezeichnen, ist nun arg verniedlichend. Und im neuen Tiefbahnhof darf man dann den ganzen Bahnsteig entlang gehen — je nach Füllgrad des Bahnsteigs eine zumindest zeitraubende Sache — und findet dann einen wirklich nicht sehr „üppigen“ Treppenabgang zur S-Bahn vor. Da gab es bisher immer noch die Unterführung ungefähr bei Wagen 5 ab Prellbock, die in einem modernisierten Kopfbahnhof mit Sicherheit erheblich breiter als bisher ausfiele.
Und wir sollten auch präzise sagen, dass dieser Zustand bis zur Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs und nicht nur über dessen Bauzeit anhält. Wir können noch philosophieren, wie weit die Anzahl Jahre für die Zeit bis zur Inbetriebnahme ins Zweistellige geht. Hoffentlich ist Ihre Vorfreude auf den Tiefbahnhof mit ausreichendem Durchhaltevermögen ausgestattet und Ihre Erwartungshaltung realistisch.
Vor ca. zwei Jahren hat die Bahn die Pendlerströme zwischen dem Hauptbahnhof oben und der unterirdischen S-Bahn Station untersucht. Laut Bahn steigt durch den Wegfall der direkten Verbindung zwischen der Gleishalle und dem S-Bahnsteig die Frequenz auf den beiden verbleibenden Treppen stark an. Die Verkehrsqualität auf beiden Treppen erreicht nur noch die Qualitätsstufe E. Dies ist die zweitschlechteste Qualitätsstufe auf einer Skala von 6 Stufen, entspricht somit der Schulnote 5 bzw. mangelhaft und ist wie folgt definiert:
Es treten ständige gegenseitige Behinderungen zwischen den Verkehrsteilnehmern auf. Bewegungsfreiheit ist nur in sehr geringem Umfang gegeben. Geringfügige Verschlechterungen der Einflussgrößen können zum Zusammenbruch des Verkehrsflusses führen. Der Verkehr bewegt sich im Bereich zwischen Stabilität und Instabilität. Die Kapazität wird erreicht.
Diese Verkehrsqualität wird von der Bahn wohlgemerkt für den normalen Betrieb auf den Treppen erwartet. Im Falle einer Gefahrensituation handeln Menschen aber nicht mehr normal sondern oft panisch. Dadurch kann es zu der oben beschriebenen „Verschlechterungen der Einflussgrößen“ kommen, die wiederum „zum Zusammenbruch des Verkehrsflusses führen“ können. Eine Selbstrettung wird dadurch erschwert oder eventuell sogar verhindert. Einen Kapazitätsmangel bei den Fluchtwegen kann auch die modernsten Brandschutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht kompensieren.
Für alles was bei S21 möglicherweise bzw. „eigentlich“ nicht zulässig wäre, gibt es für die DB AG einen Do-it-yourself-Blanko-Abreißblock mit Ausnahmegenehmigungen zum selber Ausstellen. Dann klappts auch mit allen Zulassungen. Mammon unser, geheiligt werde dein Blechle.