Auf den ersten Blick kann man Frage in der Überschrift mit einem Ja beantworten. Die offiziellen Zahlen belegen gegenüber dem Vorjahr 2019 eine deutliche Verbesserung der 3-Minuten-Pünktlichkeit von 84,4 % auf 90,7 % und einer moderaten Verbesserung der 6-Minuten-Pünktlichkeit von 95,3 % auf 97,3 %. Schaut man sich die monatlichen Werte 2020 im Vergleich zu 2019 aber genauer an, dann sticht die Besonderheit des Jahres 2020 sofort in Auge.
Nach einem eher schlechten Start ins Jahr (die Pünktlichkeit war im Februar 2020 sogar schlechter als im Vorjahr), schnellten die Pünktlichkeitswerte im März steil nach oben und blieben bis zum Jahresende dauerhaft auf sehr hohem Niveau.
Das wundert nicht, den im März sorgte die Corona-Pandemie und der damit verbundene Lockdown für einen starken Rückgang der Mobilität und für einige Zeit wurde auch der Fahrplan ausgedünnt. Weniger Fahrgäste sorgten für weniger Verzögerungen beim Ein- und Ausstieg und auch das automatische Öffnen der Türen dürfte einen positiven Effekt gehabt haben.
Betrachtet man sich die Entwicklung der Pünktlichkeit der S-Bahn Stuttgart über einen längeren Zeitraum, so ist diese massive Veränderung in so kurzer Zeit beispiellos. Nachdem die Pünktlichkeit seit Mitte 2018 stetig sank und im Februar 2020 ihren bisherigen Tiefpunkt erreichte, stieg sie danach steil an und erreichte Ende 2020 sogar einen neuen Höchststand.
Dieser unfreiwillige Feldversuch im Jahr 2020 zeigt, wie überlastet das System S-Bahn in Stuttgart normalerweise ist und wie positiv sich eine Entlastung auswirken kann. Aber er zeigt auch, dass trotz sehr günstigen Rahmenbedingungen die gesetzten Zielwerte auch nicht annähernd erreicht wurden. Die S-Bahn arbeitet aufgrund der hohen Zugdichte und der großen Anzahl an Fahrgästen gewöhnlich am Limit und kann unter diesen schwierigen Bedingungen zu Stoßzeiten nicht wirklich pünktlich sein.
Die gestiegene Pünktlichkeit 2020 kann deshalb kein Grund zur Freude sein und erst recht kein Grund sich auszuruhen. Es ist ein vorübergehender Effekt, der schnell wieder verpuffen wird, wenn sich die Lage wieder normalisiert. Eine dauerhafte Ausweitung von Homeoffice und die Entzerrung der Fahrgastströme durch einen flexibleren Arbeits- und Schulbeginn könnten aber auch nach der Pandemie für eine nachhaltige Verbesserung der Pünktlichkeit sorgen. Dazu gehören dann auch flexiblere VVS-Tarife (10er-TagesTicket, Flex-Abo), die diesem Trend Rechnung tragen und ihn unterstützen.
Es ist an der Zeit, Lehren aus dieser schwierigen Phase zu ziehen und in die Tat umzusetzen. Hier sind in erster Linie die Politiker und Arbeitgeber gefragt, aber auch wir Fahrgäste. Die Krise muss auch als Chance für eine positive Veränderung genutzt werden.
Wie wird sich denn die Pünktlichkeit bei der S-Bahn durch den seit Ende 2020 werktags von 6:00 – 20:30 durchgehenden 15-Minuten-Takt im Jahr 2021 entwickeln?
Und welche Auswirkungen wird die Sperrung der Stammstrecke im Sommer auf die Pünktlichkeit in den Jahren 2021-2023 haben?
Guten Abend,
Es ist wohl zu erwarten, dass die Pünktlichkeit 2021 wegen des verlängerten Viertelstundentaktes und dem damit verbundenen Wegfall der „Erholungszeit“ des Netzes am Vormittag verschlechtern wird. Schon bei den in den letzten Tagen aufgetretenen Störungen konnte man beobachten, dass sich das S-Bahn-Netz nicht wie früher über den Vormittag entspannen konnte, sondern dass man bis in die nachmittägliche HVZ den Takt halbieren musste.
Die Sperrung der Stammstrecke wird vermutlich vor allem die S1 stark belasten, da der Fahrplan dieser Linie in der Sperrung sehr eng ist und für die Umleitung über die Panoramabahn wenig Zeit eingeplant ist. Da während mehr Linien den oberen Kopfbahnhof und das eingleisige Panoramabahnstück vor dem Hauptbahnhof nutzen müssen, könnten sich Verspätungen leicht auf andere Linien übertragen.
Soweit einige Mutmaßungen. Genau werden wir es erst am Ende dieses Jahres sehen.
Freundliche Grüße,
Hosea vom s-bahn-chaos Team
Leider steigt die Pünktlichkeit auch wenn man S-Bahnen einfach ausfallen lässt, oder frühzeitig enden lässt.
Diese VVS-Mail zeigt auch den fragwürdigen Zustand der Schienen-Infrastruktur im VVS-Gebiet:
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Sehr geehrter Abonnent des VVS-Benachrichtigungsservice,
es liegt eine neue Information für Sie vor:
Störungen im S-Bahn Netz, es kommt an einigen Stellen zu hohen Verspätungen / Teilausfällen / Ausfällen.
1.
Weichenstörung auf der Strecke Echterdingen – Flughafen. Es kommt in diesem Bereich bei der Linie S2/S3 zu hohen Verspätungen. Vereinzelt Enden vorzeitig die Züge in Stuttgart Vaihingen. Bitte beachten Sie hier die Ansagen am Bahnsteig und in den Zügen.
2.
Weichenstörung im Bahnhofsbereich Wendlingen. Aktuell ist kein Zugverkehr möglich zwischen Plochingen – Kirchheim (Teck) möglich. Die Linie S1 verkehrt aktuell nur im Abschnitt Herrenberg – Plochingen. Es liegen auch noch keine Meldungen dafür vor wann die Techniker die Störung beheben werden.
3.
Nachwirkungen der Weichenstörung Nordbahnhof – Stuttgart Hbf. Tief. Die Linien S4, S5 und S6/S60 können wieder regulär im Viertelstundentakt bis/ab Schwabstraße verkehren jedoch kommt es noch zu Verspätungen.
4.
Nachwirkung der Stellwerksstörung Stuttgart Vaihingen. Das Stellwerk funktioniert wieder, jedoch kommt es gerade auf der Linie S1 noch zu sehr hohen Verspätungen.
Weitere Anpassung dieser Meldung folgt sobald sich die Gegebenheiten ändern.
(Stand: 10.02.2021 09:24)
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