Die S-Bahn und der Deutschlandtakt – eine Übersicht

Der Deutschlandtakt soll ein deutschlandweit geltender integraler Taktfahrplan werden, bei dem Regional- und Fernzugfahrpläne so gut wie möglich aufeinander abgestimmt sind.
Bei einem integralen Taktfahrplan (ITF) kommen vertaktete Züge in einem Knotenbahnhof immer ein paar Minuten vor der sogenannten Knotenzeit, idealerweise :00 und :30, an und fahren wenige Minuten danach wieder ab. Dadurch ergeben sich theoretisch von allen Richtungen in alle anderen Richtungen gute Umsteigezeiten.

Prinzip des ITF in Form einer Uhr an einem Knotenbahnhof mit den Knotenzeiten :00 und :30. Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Wolfgang Hesse, von ihm ‚Rosette‘ genannt.

In der Schweiz beispielsweise existiert ein derartiges Konzept seit vielen Jahren und wird immer weiter verbessert.
Bis 2030 soll ein solcher Fahrplan auch in Deutschland etappenweise eingeführt werden und die Bahnverbindungen verbessern und aufeinander abstimmen.

Allerdings ist der geplante ITF in Deutschland kein „echter“ ITF, denn in vielen Knotenbahnhöfen gibt die jetzige Infrastruktur solch dicht beieinander liegenden Ankünfte und Abfahrten nicht her. Außerdem haben viele Strecken nicht die benötigte Fahrtdauer von ca. 25, 55, 115 … Minuten, weswegen noch zahlreiche Infrastrukturanpassungen nötig wären, um ein der Schweiz ähnliches Konzept umzusetzen.

Prof. Hesse hat den Gutachterentwurf des Deutschlandtaktes für den Hauptbahnhof Stuttgart in eine ‚Rosette‘ umgesetzt. Abgesehen davon, dass er bei S21 mit seinen nur noch 8 Gleisen ohne Zusatzgleise und zusätzlichem Infrastrukturausbau real gar nicht fahrbar ist, kann man unschwer sehen, dass sich Ankünfte und Abfahrten über die ganze Stunde verteilen, Anschlüsse sind mehr oder weniger rein zufällig, haben also mit der Idee eines Integralen Taktverkehrs nichts mehr gemeinsam.

Die aus dem Gutachterentwurf für den Deutschlandtakt am Bahnhof Stuttgart Hbf (S21) ermittelte Ankunft-/Abfahrt-Rosette. Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Wolfgang Hesse.

Mehr zum Thema Integraler Taktfahrplan können Sie unter anderem hier und hier, die
ERI-Beiträge von Prof. Hesse zum ITF als PDF  3/2011 | 7/2019  nachlesen.


Schon im Jahr 2018 erschien ein Dokument mit dem Zielfahrplan für den Deutschland-Takt in Baden-Württemberg, der hier heruntergeladen werden kann.

Dieser Entwurf wurde nun schon zwei Mal revidiert. Dabei wurden Änderungen eingearbeitet, die entweder vom Land gewünscht, oder in den „vordringlichen Bedarf“ im Bundesverkehrswegeplan vorgerückt sind.

Das Dokument umfasst auch einen groben Fahrplan für die S-Bahn, der im Gegensatz zum ersten Entwurf viele Änderungen zu heute aufweist.

Im Zielfahrplan ist Stuttgart 21 vollständig in Betrieb. Der alte Kopfbahnhof ist nicht mehr vorhanden. Ebenso sind die neue S-Bahn-Station Mittnachtstraße und die Verlängerung der Strecke von Filderstadt nach Neuhausen fertiggestellt. Die Bahnstrecke von Weil der Stadt nach Calw (Hermann-Hesse-Bahn) ist für S-Bahnen ausgebaut und elektrifiziert.

Für die S-Bahn Stuttgart relevanter Ausschnitt des 3. Entwurfs des Zielfahrplans Deutschlandtakt.

Wir möchten in den nächsten Monaten die Änderungen zum heutigen Fahrplan in der Region Stuttgart, die im Zielfahrplan enthalten sind, einzeln erläutern, denn sowohl im S-Bahn- als auch im Regionalverkehr soll sich einiges tun. Konzentrieren werden wir uns auf das Netz der S-Bahn Stuttgart.

Der Fahrplan ist aber nur ein Entwurf. Er wird vom Bundesverkehrsministerium als „finaler Gutachterentwurf“ bezeichnet. Etwas befremdlich — auch für einen Entwurf — ist, dass dieser Fahrplan in Teilen gar nicht fahrbar wäre. Beispiel: Regional- und Fernzüge müssten zwischen Böblingen und Flughafen-Station NBS eine Reisegeschwindigkeit von ca. 125 bzw. ca 140 km/h fahren, um die angegebenen Fahrzeiten zu realisieren. Das ist mit dem bis 2030 absehbaren oder geplanten Streckenausbau unmöglich. Fahrpläne und Linienführung der S-Bahn sind bisher noch nicht mit dem Verband Region Stuttgart als Aufgabenträger der S-Bahn abgestimmt, wie eine Anfrage beim Verband per e-Mail im vergangenen August ergab. Insofern ist offen, was von diesem Fahrplanentwurf überhaupt umgesetzt werden könnte.


Als Grundtakt wird der 30-Minuten-Takt bezeichnet, der in der Regel täglich zwischen 5:00h und 0:00h (Mitternacht) gilt.

Den Verstärkertakt/Zwischentakt bilden jeweils diejenigen Züge, die den 30 Minuten Takt zu einem Viertelstundentakt verdichten. Diese sollen zukünftig Montag-Freitag zwischen 6:00 und 20:00 Uhr verkehren, allerdings nicht auf einigen Außenästen. Die wichtigsten Änderungen sind:

  • Die S-Bahn Linien S1-S3 tauschen ab Vaihingen ihre Linienäste. Die S3 fährt dann nach Herrenberg, die S1 fährt nach Neuhausen und die S2 endet in Vaihingen.
  • Nach Böblingen fahren zukünftig drei S-Bahn Linien. Neben der S60 (über Renningen) und der S3 (über Vaihingen) verkehren die Verstärkertakte der S4 zukünftig von der Schwabstraße weiter über Vaihingen nach Böblingen.
  • Der S60-Zugteil nach Weil der Stadt fährt weiter nach Calw, der andere wie bisher nach Böblingen. In der anderen Richtung fährt die S60 von Schwabstraße weiter nach Vaihingen, allerdings nur im Grundtakt.
  • Eine neue Expresslinie S61 fährt von Renningen nach Feuerbach.

Das ist Ihnen zu unübersichtlich? Im Folgenden der voraussichtliche Liniennetzplan:

Voraussichtliches Liniennetz der S-Bahn Stuttgart bei Realisierung des Deutschlandtakt-Zielfahrplans 3. Version.

Auch auf den einzelnen Linien wird es größere Änderungen an den Taktzeiten und Anschlüssen geben, die wir in einem gesonderten Beitrag näher betrachten werden.
Die Linien S1-S3 haben wir hier genauer vorgestellt.

Die größte, alle Linien betreffende Änderung ist sicherlich die Einführung der S-Bahn Station Mittnachtstraße, die zu Taktverschiebungen und Fahrzeitverlängerungen auf allen Linien führen wird. So sollen die Fahrzeiten auf manchen Außenästen von bzw. nach Stuttgart teilweise um bis zu 6 Minuten verlängert werden.


Einige dieser Planungen widersprechen jedoch denen des Verband-Region-Stuttgart.

Beispielsweise fehlt die schon beschlossene Linie S11 zwischen Plochingen/Esslingen und Ludwigsburg auf der sogenannten Schusterbahn in den Entwürfen komplett. Hier ist weiterhin nur eine zeitweise verkehrende Regionalbahn zwischen Untertürkheim und Kornwestheim (wie auch heute schon) vorgesehen.

Die geplante Verlängerung der Linie S1 nach Nürtingen, die der Zielfahrplan nicht vorsieht, über die wir schon im Frühjahr berichtet hatten, ließe sich mit dem geplanten Fahrplan der Regionalzüge von und nach Tübingen auch nicht fahren, da sich Trassenkonflikte mit dem dann von Plochingen nach Nürtingen verlängerten S1-Zwischentakt ergeben würden.

So wichtig der Deutschlandtakt ist: wenn er erfolgreich sein soll, müssen alle Akteure, also auch der VRS als Aufgabenträger der S-Bahn, in den Planungsprozess mit eingebunden werden, damit nicht seitens der Aufgabenträger etwas geplant wird, das dann dem Deutschlandtakt widerspricht. Ganz abgesehen davon, dass der Fahrplanentwurf, sollte er so umgesetzt werden, große Probleme auf einigen Linien bringen würde, sollte schon bei der Planung mehr darauf geachtet werden, lokale Akteure einzubinden, auch deshalb, um die Akzeptanz bei den jeweiligen Entscheidungsträgern auf lokaler und regionaler Ebene und natürlich auch bei den Fahrgästen zu erhöhen.

2 Gedanken zu „Die S-Bahn und der Deutschlandtakt – eine Übersicht

    1. Hosea Winter Beitragsautor

      In diesem Zielfahrplan Deutschlandtakt, den dieser Artikel behandelt, existiert die von der StZ und dem VRS als S62 bezeichnete Express-S-Bahn mit der Liniennummer S61 zwischen Schwabstraße und Renningen. Die Weiterführung nach Weil der Stadt, die vom Verband Region Stuttgart gewünscht ist, ist im Plan nicht enthalten. Ob, wie oder wann eine Verlängerung der S61/S62 nach Weil der Stadt jemals kommt, ist angesichts des dichten Zugverkehrs auf dem eingleisigen Abschnitt zwischen Malmsheim und Weil der Stadt sowieso noch nicht klar.

      Freundliche Grüße,
      Hosea vom sbc-Team

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