Die S-Bahn und der Deutschlandtakt – Änderungen auf den heutigen Linien S1 – S3

In einem früheren Beitrag haben wir einen Überblick gegeben, welche Änderungen sich bei der S-Bahn aus dem dritten Entwurf des Zielfahrplans Deutschlandtakt ergeben würden. Wie angekündigt, wollen wir nun auch auf die durchaus umfangreichen Änderungen auf den einzelnen Linien zu sprechen kommen, die in dem Entwurf verzeichnet sind.

Von Seiten des Verbands Region Stuttgart, dem Aufgabenträger der S-Bahn Stuttgart, der Änderungen am Fahrplan und an den Linien beauftragen und genehmigen müsste, sind bisher allerdings keine Planungen an die Öffentlichkeit gekommen, das S-Bahnnetz und die S-Bahnfahrpläne entsprechend dem Zielfahrplanentwurf umzugestalten. Es ist daher offen, ob die dort vorgesehenen Änderungen ganz oder in Teilen wirklich umgesetzt werden.

Das S-Bahn-Netz soll sich insofern deutlich ändern, als die S1 und S3 im Süden ihre Linienäste tauschen. Die S1 soll nach Neuhausen, die S3 im Gegenzug nach Herrenberg fahren. Jede zweite S4 soll in der Hauptverkehrszeit (HVZ) über Schwabstraße hinaus bis Böblingen verlängert werden. Die bisher auf der einen Seite an der Schwabstraße endende S60 soll bis Vaihingen verlängert werden. Auf der anderen Seite soll sie wie die heutige gekoppelte S6/S60 in Renningen geteilt („geflügelt“), ein Zugteil wie bisher nach Böblingen und der andere Zugteil über Weil der Stadt hinaus bis Calw verlängert werden.
Das geplante Liniennetz haben wir schon im ersten Deutschlandtakt-Beitrag gezeichnet und vorgestellt.

Voraussichtliches Liniennetz der S-Bahn Stuttgart bei Realisierung des Deutschlandtakt-Zielfahrplans 3. Version.

Dass der neue Fahrplanentwurf einige Veränderungen für die S-Bahn bringen wird, war abzusehen. Dass diese aber auf den hier betrachteten Linien S1-S3 und den später näher analysierten Linien S4-S6, S60 und S61 so weitreichend ausfallen, hat uns erstaunt.

Die Linien S1-S3 wollen wir nun in diesem Beitrag genauer vorstellen. Da zukünftig auch jede zweite S4 und die S60 weiter Richtung Vaihingen oder Böblingen fahren sollen, werden uns auch diese Linien am Rande beschäftigen. Eine genaue Vorstellung der sogenannten „Nordlinien“ S4-S6 und S60 folgt dann in einem späteren Beitrag.

  • Die S1 bleibt zwischen Rohr und Kirchheim(Teck) im Wesentlichen gleich. Durch den Halt an der Mittnachtstraße gibt es je nach Richtung eine Fahrzeitverlängerung von 2 bzw. 3 Minuten. Von Plochingen nach Kirchheim(Teck) ist weiterhin nur ein Halbstundentakt vorgesehen. Nach Neuhausen soll es aber im Gegensatz zu den ersten beiden D-Takt-Entwürfen einen Viertelstundentakt geben. Damit sollen auch erstmals die Stationen zwischen Rohr und Filderstadt einen glatten 15-Minuten-Takt bekommen. Derzeit fährt die S-Bahn hier in einem 10-/20-Minuten „Hinketakt“. Unklar ist, was in der Schwachverkehrszeit (SVZ), also wochenends und am späteren Abend/frühen Morgen passieren soll, denn in diesen Zeiten fährt die S1 auf der ganzen Strecke nur im Halbstundentakt. Damit sich die Anzahl der S-Bahnen Richtung Flughafen/Messe im Vergleich zu heute nicht verringert, müsste die S2 in dieser Zeit von ihrem Endpunkt Vaihingen mindestens bis zum Flughafen verlängert werden und würde in den Fahrlagen der jetzigen S3 verkehren. Über dieses Thema hatte schon die StZ mit einem etwas irreführenden Titel vor einiger Zeit geschrieben, jedoch noch nicht in Bezug auf die Schwachverkehrszeit und nicht in Bezug auf den Deutschlandtakt.
  • Die Takte der S2, die zukünftig laut dem Entwurf schon in Vaihingen enden soll (über mögliche Ausnahmen in der Schwachverkehrszeit haben wir beim Stichpunkt „S1“ geschrieben), verschieben sich um 10 Minuten nach vorne oder hinten und liegen zukünftig in den Taktlagen der bisherigen S3. Ab Schorndorf verkehrt die S2 14 Minuten früher Richtung Hauptbahnhof und in der Gegenrichtung kommt sie um 16 Minuten später an als jetzt. Die Fahrzeit verlängert sich also um 4-6 Minuten. Ein Teil der Fahrzeitverlängerung (1-3 Minuten) ist wieder mit dem neuen Halt Mittnachtstraße zu erklären. Warum sich aber die Fahrzeit von Bad Cannstatt nach Schorndorf um 3-4 Minuten verlängert, ist angesichts der gleichbleibenden Infrastruktur zumindest auf den ersten Blick nicht ersichtlich.
  • Auch bei der S3 ändern sich die Taktlagen. Zwischen Waiblingen und Rohr fährt die S3 zukünftig in den Taktlagen der bisherigen S2. Zwischen Backnang und der Stuttgarter Innenstadt beträgt die Fahrzeitverlängerung je nach Richtung 5-6 Minuten, davon wie schon bei der S2 2-3 Minuten aufgrund des neuen Haltes an der Mittnachtstraße.
    Zwischen Rohr und Herrenberg verschieben sich die Fahrzeiten im Vergleich zur jetzigen S1 um 10 Minuten nach vorne (Richtung Herrenberg) bzw. hinten (Richtung Stuttgart). Fahrzeitverlängerungen auf diesem Ast gibt es nicht.
  • Zusätzlich zu diesen 3 Linien soll es zwischen Schwabstraße und Vaihingen bzw. Böblingen noch weitere Züge geben. In der Nebenverkehrszeit sind das 2 Züge pro Stunde der Linie S60 (Grundtakt) bis Vaihingen und in der Hauptverkehrszeit zusätzlich noch 2 Züge pro Stunde des S4-Zwischentakts über Vaihingen hinaus bis Böblingen. Diese Verstärkerzüge der S4 sollen laut Zielfahrplan zwischen Zuffenhausen und Schwabstraße in Fahrlage der heutigen S6 (Zwischentakt) verkehren. Sie fahren in Richtung Böblingen 3 Minuten nach und in der Gegenrichtung 3-4 Minuten vor dem S3 Grundtakt.

Auffallend sind die vielen Fahrzeitverlängerungen auf den Außenästen von S2 und S3, die nicht nur mit dem neuen Halt Mittnachtstraße zu erklären sind, der die Züge laut Zielfahrplan je nach Richtung nur wenige Minuten kostet.
Wollten die Ersteller des Fahrplanentwurfs damit sagen, dass die Fahrzeiten der S-Bahn auf den Außenästen generell zu knapp bemessen sind oder ist es das Eingeständnis, dass bei dem immer stärker werdenden Mischverkehr immer noch mehr Pufferzeiten notwendig sind, um Verspätungen anderer Züge auszugleichen?

Bei näherer Betrachtung ergeben sich mit den Änderungen vor allem Richtung Herrenberg und Filderstadt einige Probleme:

Der Tausch von S1 nach S3 auf dem Ast nach Herrenberg bewirkt zwar, dass die Taktlücken durch den schnellen IC von/nach Zürich, die derzeit in der HVZ bestehen, wegfallen können, zerstört jedoch die Taktknoten und damit fast alle Anschlüsse in Böblingen und Herrenberg. Besonders problematisch ist dies in Böblingen.
Der heutige gute Anschluss von der S1 zur S60 und umgekehrt fällt mit der S3 in beide Richtungen weg. Besonders ärgerlich ist, dass die S60 genau dann ankommt, wenn der S3-Zwischentakt abfährt und umgekehrt. Der Anschluss von/zur Schönbuchbahn funktioniert nur noch in eine Richtung (stadtauswärts) – in der anderen muss bis zu 29(!) Minuten auf eine S-Bahn gewartet werden.
Dadurch, dass die S-Bahnen in Böblingen zukünftig nicht mehr gleichmäßig zu den vollen und halben Stunden in alle Richtungen abfahren, ist auch zu erwarten, dass sich ein Großteil der Busanschlüsse erheblich verschlechtern wird, da entweder der Anschluss Richtung Stuttgart, oder der Anschluss von Stuttgart gut zu erreichen ist.

Gleiches gilt auch für Filderstadt-Bernhausen, wo derzeit ebenfalls im Grundtakt ein Taktknoten zur vollen und halben Stunde existiert, der dann wegfallen würde.

Für Böblingen könnte die in der Hauptverkehrszeit verlängerte S4 eine Reduktion der Problematik bewirken, da sich der Anschluss von und zur S60 Richtung Renningen leicht verkürzen würde, auch wenn dieser trotzdem wesentlich weniger attraktiv wäre als heute.
Auch könnte die S4 ab Böblingen in Richtung Stuttgart durch ihre Fahrlage 4 Minuten vor dem S3-Grundtaktzug diesen ein wenig entlasten. In der Gegenrichtung dürfte der Entlastungseffekt noch geringer sein, wenn sie dem S3-Grundtaktzug mit nur 3 Minuten Abstand hinterherfährt.
Hier stellt sich schon die Frage, ob eine solche halbstündliche Linie jeweils kurz vor bzw. nach der regulären, immer verkehrenden und bekannten Linie, überhaupt genutzt werden würde und nötig wäre.

Ein weiteres großes Problem ist das fehlende Ersatzkonzept bei Sperrung des Stammstreckentunnels:
Durch den fehlenden Linientausch in diesem Konzept, über den wir in einem separaten Beitrag noch näher berichten werden, gäbe es bei Störungen an der Stammstrecke kein brauchbares Ersatzkonzept, denn durch den neuen Hauptbahnhof könnte man sicherlich, wenn überhaupt, nur einen sehr kleinen Teil der Züge leiten.
Dies würde dazu führen, dass der Betrieb im Störungsfall im Bereich der Störung faktisch eingestellt werden müsste.


Es bleibt daher zu hoffen, dass das sich bisher im Entwurfsstadium befindliche Konzept noch deutlich verbessert wird.

 

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