Die offizielle Pünktlichkeit der S-Bahn Stuttgart ist seit Monaten miserabel. Die vorläufige Pünktlichkeit 2019 ist mit Abstand so schlecht wie noch nie!
Auch im September war die Pünktlichkeit wesentlich schlechter als in allen Vorjahren, die bei der S-Bahn Stuttgart aufgelistet sind. Die unpünktlichste Linie war die S2 mit einer 3-Minuten-Pünktlichkeit von nur 71,2 %.
So sieht die offizielle Pünktlichkeit aller Linien im September 2019 als Balkendiagramm aus:
[spoiler title=’Klicken Sie auf den grauen Balken um die Pünktlichkeit in einer Tabelle zu sehen‘ style=’default‘ collapse_link=’false‘]
Pünktlichkeit der S-Bahn Stuttgart im September 2019
Linien | 3-Minuten- Pünktlichkeit | 6-Minuten- Pünktlichkeit |
---|---|---|
Gesamt | 80,8% | 94,2% |
S1 | 77,8% | 93,0% |
S2 | 71,2% | 92,2% |
S3 | 76,2% | 92,3% |
S4 | 86,2% | 96,4% |
S5 | 84,6% | 96,6% |
S6 | 87,2% | 96,7% |
S60 | 93,8% | 98,4% |
Ziel-Wert | 94,5% | 98,0% |
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Bei einem Vergleich der Pünktlichkeit im September dieses Jahres mit denen der letzten Jahre macht sich Ernüchterung breit. Am folgenden Diagramm ist der Rückgang der Pünktlichkeit schnell zu erkennen:
Auch bei genauerer Betrachtung lässt sich erkennen, dass sowohl die 3-Minuten-Pünktlichkeit als auch die 6-Minuten-Pünktlichkeit gravierend abgestürzt sind.
Über die Gründe für die anhaltend schlechte Pünktlichkeit können wir natürlich nur spekulieren:
Im Sommer waren sicherlich die umfangreichen und wohl nicht wirklich sorgfältig geplanten Bauarbeiten am Hauptbahnhof und in Vaihingen ein Grund für die Verspätungen. Auch die extrem lang anhaltende Signalstörung am Hauptbahnhof (tief), die zum Glück „nur“ in den Sommerferien über 1 Woche den Betrieb einschränkte, führte sicher zum Absturz der Werte im August und September. Zudem kam es vor allem im September zu einigen Infrastruktur– und Fahrzeugstörungen, wovon eine sogar zu einer Evakuierung des Zuges führte, die aufgrund von Abstimmungsproblemen und dem Notfallkonzept in der Kritik steht, nachdem Fahrgäste wohl ohne hinreichende Informationen in der S-Bahn ausharren mussten.
Dass ein gestiegenes Fahrgastaufkommen zu Verspätungen führt, ist ebenfalls bekannt, da sich vor allem die Ein- und Ausstiegszeiten verlängern, zumal seit mehreren Monaten wieder vermehrt Züge der Baureihe 430 mit aktivierten Schiebetritten unterwegs sind. Und auch die Ausdehnung der Hauptverkehrszeit seit dem letzten Fahrplanwechsel ist sicher ein Grund für die schlechteren Werte.
Beim Blick auf diese Faktoren stellt man aber schnell fest, dass die Hoffnung auf eine wesentliche Verbesserung in den nächsten Monaten und Jahren wohl trügt. Denn nach dem eigentlich guten Willen der Politik sollen die Fahrgastzahlen weiter steigen. Die Schiebetritte werden weiterhin für verlängerte Ein- und Ausstiegszeiten sorgen, denn der Verband Region Stuttgart hat auch die neuen 58 Züge mit Schiebetritten bestellt. Und die Hauptverkehrszeit soll ja bis 2021 bekanntlich auf den ganzen Tag ausgeweitet werden.
Auf Stuttgart 21 und ETCS zu setzen, ist unserer Ansicht nach jedoch nicht sinnvoll, denn gerade mit Stuttgart 21 werden weitere Umleitungs- und Entlastungsstrecken stillgelegt und die sowieso störanfällige Stammstrecke um eine weitere nur zweigleisige Station erweitert.
„nachdem Fahrgäste wohl ohne hinreichende Informationen in der S-Bahn ausharren mussten.“
Das ist Quatsch, es wurden dauerhaft infos kommuniziert, aber die luft wird nicht besser, wenn in der Bahn Wasen leute rauchen.
Vorgestern fuhr eine völlig überfüllte S-Bahn etwa 40 Minuten nach der avisierten Abfahrtszeit ab, weil im fernen Backnang ein Signal just im morgendlichen Berufsverkehr den Dienst verweigerte. Gestern früh legte die „ärztliche Versorgung eines Fahrgastes“ in Vaihingen gleich 3 S-Bahn-Linien still. Während die Lautsprecherstimme die Kunden mit einer 10-minütigen Verspätung vertröstete, schraubte sich die Verspätungs-Information auf der Bahnsteiganzeige sukzessive bis auf 30 Minuten hoch. Na ja, eine pünktliche Anbindung des Flughafens ist ja eigentlich irrelevant, weil die meisten Flieger warten … Und sollte das Gate evtl. bereits geschlossen sein, wäre das eigentlich ein super Beitrag zum Klimaschutz. So toll Klima, wie die Bahn ihre ICEs seit jüngstem mit einer grünen Öko-Bauchbinde schmückt.
Während die Bahn ihrem treuen Kunden eine unerwartete Nachdenkpause am dunklen S-Bahnsteig ermöglicht, verfällt dieser auf ganz abstruse Gedanken: Werden am Flughafen nicht Milliarden von Euros verbaut, um dieses Drehkreuz der Mobilität besser erreichen zu können? Aber warum bemüht sich die Bahn denn nicht schon heute, den Landesflughafen etwas zuverlässiger zu bedienen, indem sie etwa auf Kurzwenden verzichtet oder die ärztliche Erstversorgung effizienter organisiert? Ein weiterer, abwegiger Gedanke: Hat das KIT dem geplanten Mischverkehr auf der Filderbahn nicht eine faktische Unfahrbarkeit attestiert? Ebenso wie die Gutachter der TU Dresden und der sma? In der anbrechenden S21-Ära dürften kleinste Störungen, so wie die „ärztliche Versorgung eines Fahrgastes“, den gesamten Zugverkehr auf der Gäu-Bahn empfindlich durcheinanderbringen.
Das lange Warten am Bahnsteig auf verspätete Züge kann zuweilen sehr stressig sein. Manchmal führt das auch zum Kreislaufkollaps, wenn nach Betreten des Zuges endlich die andauernde Anspannung abfällt. Wobei wir wieder bei der „ärztliche Versorgung“ wären. Aber nein! Dass die Deutsche Bahn keine S-Bahn kann, weiß mittlerweile jedes Kind. Dass sie das politische Projekt der Bahnhofsverkleinerung um jeden Preis durchzieht, ist ebenfalls traurige Realität. Dass sie auf der Filderbahn aber eine Hebelsituation schaffen will, in der jeder Schwindelsimulant ein leichtes Spiel hat, während der rush hour das halbe Stuttgarter Schienen-Netz aus dem Tritt zu bringen – so viel geistige Armut mag man selbst der Deutschen Bahn nicht zutrauen.
Lieber Herr Homberg,
nach den Vorfällen, die Sie beschreiben, kann man Ihren Ärger gut verstehen. Und Recht haben Sie, wenn Sie die Verkleinerung des Stuttgarter Bahnhofs und die S21-Planung für die Fildern und den problematischen Mischverkehr von Fern-/Regionalzügen mit S-Bahnen kritisch ins Visier nehmen. Es müssten wohl mehrere Wunder geschehen, damit eine solche Planung in der Realität funktioniert.
In Abweichung zu Ihrer Aussage, „die Deutsche Bahn kann keine S-Bahn“, würde ich lieber sagen: Die Deutsche Bahn versäumt es, in der Infrastruktur die notwendigen Voraussetzungen für einen leistungsfähigen und stabilen Bahnverkehr, auch für die S-Bahn, zu schaffen. Ich möchte gerne differenzieren: Wenn ein Signal den Dienst verweigert, betrifft es den Verantwortungsbereich der DB Netz, die mit Billigung der bundesdeutschen Verkehrspolitik die Infrastruktur hat verlottern lassen. Wie ein Notarzteinsatz abläuft und wie lange er dauert, darauf hat die DB Regio S-Bahn so gut wie keinen Einfluss. Bei der Dauer von Unfallaufnahmen ist es genauso. Ich schreibe das nicht, um jemand reinzuwaschen, sondern weil ich aus vielen Gesprächen und Besichtigungen weiß, wie viel Einsatz und Mühe die Mitarbeiter der DB Regio S-Bahn investieren, um eine gute Leistung abzuliefern. Dort leidet man unter den ungünstigen Rahmenbedingungen des Netzes ebenso, wie die Fahrgäste unter deren Folgen leiden.
Hier steht neben der DB Netz vor allem die bundesdeutsche Verkehrspolitik im Zentrum der Kritik, weil sie ihrem verfassungsmäßigen Auftrag der Sicherstellung einer leistungsfähigen Schieneninfrastruktur nicht nachkommt. Wir werden gerne dabei mithelfen, dass die Kritik auch dort ankommt. Dennoch werden wir auch die DB Regio S-Bahn weiterhin mit kritischem Blick begleiten.
Bei den unverschuldeten Fällen, wie den Unfällen, wäre es aber manchmal hilfreich wenn die Fahrplanauskunft über die Webseite von sich aus einem dann Alternativen anzeigt, ohne dass man von Hand verschiedene Verkehrsmittel sperren muss. Auch etwas, was in der Verantwortung der Bahn liegt, da die Webseite auch zur Bahn gehört und die Fahrplanauskunft bereits Störungen als Warnung anzeigt.
Bei der Fahrplanauskunft der DB werden oftmals alternative Verbindungen mit dem Hinweis „aktuelle Alternative“ angezeigt. Beim VVS funktioniert das leider derzeit nur schlecht – diese Fahrplanauskunft liegt jedoch nicht im Verantwortungsbereich der DB.
Dass die Fahrgastinformation im Störungsfall oftmals nicht zufriedenstellend ist, weder in der App/auf der Website, noch am Bahnsteig, haben wir natürlich auch schon festgestellt und denken ebenfalls, dass in diesem Bereich noch einiges getan werden muss, wenngleich auch schon manches unternommen wurde, um den Kunden besser zu informieren.