Was die Fahrgäste nach der Stammstreckensperrung 2023 erwartet …

Eine hervorragende Zusammenfassung von Peter Schwarz vom Zeitungsverlag Waiblingen.

Der Zeitungsverlag Waiblingen erteilte unserem Portal freundlicherweise die Genehmigung zur Veröffentlichung des Artikels.


Bahn-Baustellen belasten Pendler: Enorm wichtige Strecke Aalen-Stuttgart gleich dreifach betroffen

https://www.zvw.de/rems-murr-kreis/bahn-baustellen-belasten-pendler-enorm-wichtige-strecke-aalen-stuttgart-gleich-dreifach-betroffen_arid-698800

Von Peter Schwarz (Zeitungsverlag Waiblingen, zvw.de)

Die Deutsche Bahn (DB) hat für die Baustellenzeit im September den nächsten Notplan vorgelegt: Bahnreisende müssen weitere Einschränkungen schlucken. Aber damit ist die Malaise nicht vorbei: Auch zwischen Oktober und Februar stehen Arbeiten an. Was kommt auf uns zu? Die Analyse.

Die Lage im Bahnverkehr im September: Einschränkungen im Rems-Murr-Kreis

Die Buddelei für den Digitalen Knoten Stuttgart geht weiter – das sind die Folgen im September aus Rems-Murr-Sicht:

  • Vom 15. bis zum 22. September fahren die S-Bahn-Linien S2 (Schorndorf) und S3 (Backnang) nur im Halb- statt im Viertelstundentakt.
  • Vom 15. bis zum 18. September müssen S2 und S3 darüber hinaus baustellenbedingt auf die Ferngleise für den normalen Zugverkehr ausweichen – deshalb entfallen die Haltestellen Sommerrain, Nürnberger Straße, Cannstatt. Die DB kompensiert das mit einem Schienenersatzverkehr: Zwischen Waiblingen und Stuttgart fahren „etwa alle 15 Minuten“ Busse über Fellbach, Nürnberger Straße und Cannstatt. Den Halt Sommerrain steuert von der Nürnberger Straße aus ein Kleinbus an, ebenfalls „etwa alle 15 Minuten“.
  • Vom 15. bis zum 22. September fährt der MEX13 von Go-Ahead, der die Linie Aalen-Stuttgart normalerweise im Halbstundentakt bedient, nur einmal pro Stunde bis Stuttgart durch. Die Hälfte der Fahrten endet bereits in Waiblingen.
  • Hinzu kommt eine Meldung von Go-Ahead, die im Konzept der DB keine Erwähnung findet: Vom 15. bis zum 22. September fallen demnach „sämtliche Züge“ der Interregio-Linie 1 von Stuttgart über Schorndorf nach Aalen aus.

Die Analyse zum September: Was ist gut, was ist schlecht?

So weit das Grobkonzept – was daran ist gut? Es gibt tatsächlich dies und das zu loben:

  • Diese Baustellenphase dauert zwar vom 11. bis zum 29. September, aber in den ersten und letzten Tagen ist der Rems-Murr-Kreis nicht speziell betroffen.
  • Das sind recht überschaubare Einschränkungen im Vergleich zur zweieinhalbmonatigen Totalsperrung im Frühsommer zwischen Waiblingen und Cannstatt.
  • Mit Rücksicht auf den Start des Cannstatter Volksfests hat die Bahn keine Bauarbeiten für das Wochenende von Freitag, 22. September, 23 Uhr, bis Montag, 25. September, angesetzt.
  • In die Bauphase fällt nur ein VfB-Heimspiel (gegen Darmstadt am 22. September). Da steht kein Chaos zu befürchten.
  • Der Halbstundentakt bei der S-Bahn schockt schon lange niemanden mehr. Denn theoretisch gibt es zwar seit Ende 2020 bei S2 und S3 einen durchgehenden 15-Minuten-Rhythmus von morgens bis abends; aber daran, wann das zuletzt praktisch wirklich funktionierte, kann sich sowieso kaum jemand mehr erinnern.

Bevor wir in Lobeshymnen verfallen – manches ist und bleibt natürlich schlecht:

  • Die Remsschiene ist eben doch wieder eine Woche lang stark betroffen.
  • Die für das gesamte Remstal enorm wichtige Pendlerstrecke Aalen-Stuttgart leidet unter einer dreifachen Ausdünnung: Bei MEX, IRE und auf dem letzten Stück auch bei S2 und S3.
  • Es kommt, pünktlich nach Ende der Sommerferien, wieder zu Ersatzbus-Brimborium. Schüler aus Waiblingen, die das Albertus-Magnus-Gymnasium besuchen, werden einige Tage lang per Bus zur Nürnberger Straße gondeln und dort in den Kleinbus nach Sommerrain umsteigen müssen.

Wer seine Reise langfristig bucht, könnte sich auf dem Abstellgleis wiederfinden

Leider gesellen sich zu den Einschränkungen auch noch diverse Unwägbarkeiten und Ärgernisse:

  • Weniger als einen Monat, bevor es losgeht, ist das Konzept noch vage. Angaben wie „etwa alle 15 Minuten“ zu den Ersatzbussen lassen Fragen offen. Die DB strickt offenbar mit brandheißer Nadel.
  • Zur Orientierung in der Baustellenzeit empfiehlt die DB ihre „elektronischen Fahrplanmedien“ – genau die aber waren schon das ganze Jahr hindurch unzuverlässig. Oft widersprachen sich Online-Angaben und Bahnsteig-Anzeigen, mal hatte das eine System recht, mal das andere, mal keins von beiden. Prognose: Das wird wohl so bleiben.
  • Derzeit sind die Infosysteme noch überhaupt nicht aktualisiert. Die Bahn verspricht lediglich: Die „Reiseverbindungen werden sukzessive in den Fahrplanmedien eingepflegt“. Wer langfristig eine Reise buchen will, den führen die Auskünfte kerzengerade aufs Abstellgleis. Angenommen, Sie wollen am 20. September gegen 10 Uhr nach München. Aktuell wird Ihnen dafür der ICE um 10.14 Uhr empfohlen, nebst Wegweiserpfeil zur Buchung. Wenn sie dem Pfeil aber folgen, kaufen Sie ein Ticket für einen Zug, der definitiv nicht fahren wird. Denn in der DB-Mitteilung zum September-Notplan heißt es klipp und klar: Die ICE-Linie Karlsruhe-Stuttgart-München ende vom 18. bis zum 22. September in Stuttgart. „Der Abschnitt Stuttgart-München entfällt.“
  • Im Oktober folgen weitere Bauarbeiten. Über die Notplanungen für diese Zeit will die DB „schnellstmöglich informieren, sobald sie vorliegen“; mit anderen Worten: wieder mal kurz vor knapp.

Was folgt ab Oktober? Die weiteren Aussichten: Durchwachsen …

Erst recht unabsehbar ist, was 2024 noch alles kommt. Grund: Die DB steht gewaltig unter Zeitdruck.

Wenn das neue digitale Zugbeeinflussungssystem ETCS bis Ende 2025 und damit zum Start von Stuttgart 21 im gesamten Stuttgarter Knotenbereich unter Volllast funktionsfähig sein soll, muss es ab Sommer 2024 ausgiebig im Probebetrieb getestet werden – die DB bezeichnet dieses Datum in internen Unterlagen als „erfolgskritischen Meilenstein“. In der aktuellen Pressemitteilung zum September-Notplan aber findet sich, dezent in der Mitte des letzten Absatzes versteckt, ein aufschlussreicher Satz: Die Kabelarbeiten „im Zusammenhang mit dem Ausbau des Digitalen Knotens Stuttgart“ seien „umfangreicher als zunächst angenommen“. Das hat Folgen:

  • Um den Zeitplan zu retten, griff die DB zum drastischen Mittel der zweieinhalbmonatigen Totalsperrung.
  • Um fürs Digitalisierungsprojekt Kapazitäten freizuschaufeln, hat die Bahn andere Arbeiten verschoben. Bereits im Frühjahr 2023 wollte die DB eigentlich im Bereich Feuerbach/Zuffenhausen Oberleitungen, Oberbau und Bahnsteigbereiche erneuern – dazu kommt es nun aber erst vom 2. bis zum 26. Oktober. Die Bahn schreibt dazu: Auch wegen dieser Maßnahme werden „der Fern- und Regionalverkehr sowie die S-Bahn von Beeinträchtigungen betroffen“ sein.
  • Damit ist der Druck immer noch nicht vom Kessel: „Die zunächst für diesen Herbst vorgesehenen“ Arbeiten zum Digitalen Knoten Stuttgart „im Bereich Stuttgart-Vaihingen/Flughafen/Böblingen“ hat die Bahn „auf Januar und Februar 2024 verschoben“.

Zusammengefasst: Nicht nur im September wird es beim Zugverkehr baustellenbedingt rumpeln, sondern definitiv auch im Oktober; im Januar/Februar höchstwahrscheinlich schon wieder; und welche Folgen der Zeitdruck im Frühjahr zeitigen wird, kann derzeit kein Mensch seriös prognostizieren.

Ein Gedanke zu „Was die Fahrgäste nach der Stammstreckensperrung 2023 erwartet …

  1. G. Voss

    Guten Tag,
    ich finde Ihre Bewertung teilweise zynisch, unangebracht und nicht hilfreich. Insbesondere der Passus:
    „So weit das Grobkonzept – was daran ist gut? Es gibt tatsächlich dies und das zu loben:
    […]
    Der Halbstundentakt bei der S-Bahn schockt schon lange niemanden mehr. Denn theoretisch gibt es zwar seit Ende 2020 bei S2 und S3 einen durchgehenden 15-Minuten-Rhythmus von morgens bis abends; aber daran, wann das zuletzt praktisch wirklich funktionierte, kann sich sowieso kaum jemand mehr erinnern.“
    ist ein Schlag ins Gesicht der Nutzer im Remstal. Im letzten Jahr fiel der Viertelstundentakt vier von 12 Monate aus, dieses Jahr gab es, nach meiner Erinnerung, maximal drei Wochen mit Viertelstundentakt. Jeden Tag, an dem ich auf den ÖV angewiesen bin, muss ich mich darüber ärgern. JEDEN. Ich bin 2003 ins Remstal gezogen und noch nie war es so schlecht wie bisher, denn schon damals gab es während des Berufsverkehrs (in dem ich hauptsächlich pendle) einen Viertelstundentakt. Im Übrigen pendle ich inszwichen zum Sommerrain. Nicht alleine. Da sind zwar vielleicht vor allem, aber eben nicht nur Schüler aus Waiblingen zum AMG betroffen, sondern auch Pendler aus dem Remstal. Vor diesem Hintergrund ist das 49-EUR-Ticket aus meiner Sicht keine Verbilligung des Tickets, sondern die Preisanpassung ans geänderte Angebot. Mit Verkehrswende hat eine derartige Absenkung der Attraktivität jedenfalls nichts zu tun. Ihre Bewertung hat vermutlich jemand geschrieben, dem die Bürger im Remstal am Allerwertesten vorbeigehen. Ich bin noch nie so viel Auto gefahren wie 2023.
    Freundliche Grüße.

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