Einjährige Komplettsperrung der S-Bahn-Strecke
Echterdingen ↔ Bernhausen wirklich alternativlos?

Gegen Ende des vergangenen Jahres platzte die Nachricht der Deutschen Bahn herein, dass für den Bau des „Dritten Gleises“ am Flughafen-Terminalbahnhof in einigen Jahren der S-Bahn-Verkehr zwischen Echterdingen, Flughafen/Messe und Filderstadt-Bernhausen über 12-14 Monate komplett eingestellt werden müsse. Wir haben vor kurzem schon darüber berichtet.

Die Region Stuttgart als politisch Verantwortliche und Betreiberin der S-Bahn musste sich nun zwangsläufig mit dieser schlechten Nachricht auseinandersetzen. In seiner Sitzung am 27.02.2019 beriet der Verkehrsausschuss des Regionalparlaments eine Vorlage der Verbandsgeschäftsstelle. Im Vortrag dazu sprach Verkehrsdirektor Dr. Wurmthaler versehentlich sogar von einer Sperrung zwischen Rohrer Kurve und Flughafen, hoffentlich keine Freud’sche Fehlleistung. Letzlich empfahl er die Annahme der von der DB geforderten Vollsperrung als das letztlich geringere Übel, wenn auch mit flankierenden Forderungen.

So sei es unabdingbar, dass die S-Bahn nicht in Echterdingen enden dürfe, sondern dass nahe bei Flughafen und Messe eine provisorische Endstation mit dem notwendigen Wege- und Straßenanschluss für die Busse des Schienenersatzverkehrs zu schaffen sei. Es sei überdies sicherzustellen, dass die Ersatzverkehre auf die Spitzenlast ausgelegt sind.

In diesen engen Einschnitt müsste sich die Endstation einzwängen

In diesen engen Einschnitt unmittelbar vor der Einfahrt in den Flughafentunnel müsste sich die provisorische Endstation „Messe West“ einzwängen.

Umgebungskarte (Quelle: OpenstreetMaps)

Umgebungskarte (Quelle: OpenStreetMap). Für eine größere Darstellung auf die Karte klicken.

Die Zuständigkeit für die Mehrkosten jeglicher Art sieht man beim Projekt S21 als Verursacher und nicht beim Verband Region Stuttgart.

Nach aller Erfahrung sollte aber niemand ausschließen, dass der Regionalverband über seine Eigenschaft als Mitträger von S21 doch zur Kasse gebeten wird. Und bei der Forderung, „die Unterbrechung muss auf ein Jahr begrenzt bleiben“, zweifelt man doch am Realitätssinn, denn wo sind bei S21 bisher jemals Zeitplanungen eingehalten und nicht markant überschritten worden?

Gerade angesichts dieser aus leidvoller Erfahrung gewonnenen Zweifel muss doch und erneut die Frage gestellt werden, ob es denn wirklich besser oder das kleinere Übel ist, die Vollsperrung für (mindestens!) 12 – 14 Monate einem „Bau unter rollendem Rad“ mit häufiger (aber sicherlich planbarer!) Einzelsperrung vorzuziehen. Wenn wir (realistischerweise) auch 18 – 24 Monate Vollsperrung einkalkulieren müssen, ist ein Bau unter rollendem Rad innerhalb von insgesamt 36 – 42 Monaten – durchaus mit gewissen Einschränkungen — nicht mehr so furchterregend. Auch sind in der Informationsveranstaltung für Bürger und Politik am 18.02.2019 viele Fragen zu den Alternativen der Vollsperrung offen geblieben.

Werfen wir doch den Blick auf ein vergleichbares Vorhaben, den Umbau des Stadtbahntunnels unter der Heilbronner Straße zwischen Hauptbahnhof und Stadtbibliothek: Dort konnte neben dem in Betrieb befindlichen Tunnel ein neuer, teilweise tiefer gelegter Tunnel gebaut und später auch an den bestehenden Tunnel angeschlossen werden, ohne dass es zu längerfristigen Sperrungen kam. Warum sollte dies nicht auch am Flughafen gelingen? Wir werden nachfragen.

Der Verzicht auf eine dauerhafte Vollsperrung hätte durchaus Vorteile. Man könnte vor allem in der Hauptverkehrszeit den Betrieb weitgehend normal abwickeln. Auch in der Urlaubszeit, wenn Familien mit Kindern und viel Gepäck am Hauptbahnhof oder am Flughafen ankommen, bliebe weitgehend der normale Verkehr erhalten. Die zeitweisen Sperrungen können die Wochenenden einbeziehen. So verfährt man ja auch beim Umbau an der S-Bahn-Ausfahrrampe aus der Station Hauptbahnhof (tief), wo wohl niemand auf die Idee käme, über die gesamte Umbauzeit den S-Bahnverkehr komplett zu unterbrechen. Schließlich könnte bei unvermeidlichen mehrtägigen Sperrungen ein S-Bahnzug zwischen Flughafen und Bernhausen pendeln, was bei einer 12- oder mehrmonatigen Sperrung mit Sicherheit nicht möglich wäre. Und wenigstens zeitweise in der abendlichen Schwachverkehrszeit zu sperren und auf Ersatzverkehr umzusteigen, wäre auch denkbar und ließe den Bauarbeiten nächtlich ein Zeitfenster von ca. 8 Stunden.

Wir sind nicht einverstanden, ohne deutliche Nachfrage und nur aus lauter Solidarität zu Stuttgart 21 in den richtig sauren Apfel einer Vollsperrung zu beißen. Es lohnt sich, nochmals ernsthaft über die Alternative nachzudenken. Denn die Kosten für die Ersatzverkehrsmaßnahmen (Interimsbahnhof mit leistungsfähigem Straßenanschluss für die Busse und ihre Halteplätze, viele Ersatzverkehrsbusse mit Fahrern, veränderte Linienführung der übrigen Buslinien, u. v. m.) werden sehr hoch sein.

In diesem Bereich müsste der übergangsweise Ersatzbusbahnhof sein

In diesem Bereich müsste der übergangsweise Ersatzbusbahnhof sein

Der Busersatzverkehr stellt schon betrieblich eine riesige Herausforderung dar: Die Busse müssen regelmäßig, z. B. alle 10 Minuten fahren, und gleichzeitig müssen sie flexibel die häufig verspätet eintreffenden S-Bahnzüge abwarten können. Und für die Messe brauchen wir auch noch einen Interimszugang (Brücke, Unterführung?) zum Eingang Messe West.

Die erheblichen Mehrkosten im Projekt, evtl. auch Zeitverzögerungen durch ein Bauen unter rollendem Rad verkennen wir nicht. Aber, mit Verlaub, darauf kann es bei diesem Gesamtvorhaben auch nicht mehr ankommen, wenn die Alternative ist, so gut wie allen Verkehrsteilnehmern im Umkreis von Echterdingen, Flughafen und Filderstadt über 12, 14 oder noch mehr Monate jeden Tag die Wege richtig schwer zu machen. Die Betroffenen würden sich über etwas mehr Solidarität der Regionalräte sicherlich freuen.

3 Gedanken zu „Einjährige Komplettsperrung der S-Bahn-Strecke
Echterdingen ↔ Bernhausen wirklich alternativlos?

  1. DBV Baden-Württemberg

    Der Deutsche Bahnkundenverband Baden-Württemberg (DBV BW) hält die Vollsperrung einer Bahnstrecke zugunsten eines Drittprojektes über einen so langen Zeitrahmen für keinesfalls genehmigungsfähig und wird im Planantragsverfahren entsprechend Widerstand leisten.

    Demgegenüber scheint der Verband Region Stuttgart, der ja Aufgabenträger für die S-Bahn ist, diese Sperrung nicht einfach nur so hinzunehmen, er redet sie gleichermaßen noch schön. Wir beim DBV BW finden dies äußerst befremdlich. Ein Aufgabenträger, der sich nicht hinter seine Aufgabe stellt, kommt dieser Aufgabe nicht nach. Wir würden es erwarten, daß die Region sich gegen die Planungen ausspricht und nötigenfalls Klage bein Eisenbahnbundesamt im Fall einer Genehmigung erhebt.

    Statt dessen müssen wir feststellen, daß man beim Regionalverband eine Interimslösung auf eine Weise fordert, als wäre diese entgegen den Absichten der Bahn, die die Sperrung beantragt hat, eine Verbesserung und Linderung für die Fahrgäste. Das glaubt man aber nur so lange, bis man beim Studium der Antragsunterlagen feststellt, daß die Bahn einen solchen Interimshalt bereits im Rahmen des Antrags (September 2018) gutachterlich untersuchen ließ.

    Der Regionalverband kommt also mit einer Scheinforderung auf die Bahn zu und täuscht Empörung vor, der man aber mit Pragmatismus begegnen und das beste daraus machen müsse. Schönes Schmierentheater.

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  2. Max

    Echterdingen ist „nur“ ein Haltepunkt, es gibt keine Weichen von Flughafen Messe (TFL) bis Rohr (TSRO) daher ist ein Enden in Echterdingen nicht möglich. Es gibt keine Signale auf dem Gegengleis, es wäre per Befehl möglich, aber so müsste die Bahn auf Sicht fahren (40 km/h). Das ist betrieblich sehr schwierig und unwahrscheinlich, daher würde es eher Sinn machen, Nachtsperrungen zu machen, von 20-6 Uhr und am Wochenende durchgängig.

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    1. Klaus Wößner Beitragsautor

      Lieber Max,
      Sie haben völlig recht, dass mit den heutigen Gleisen ein Enden und Wenden der S-Bahnzüge in Echterdingen (wie auch an einer Interims-Endstation Messe West) nicht vernünftig möglich wäre. Nun gehe ich mal zu Gunsten der Bahn davon aus, dass man dort schon weiß, dass zum Wenden eine Gleisüberleitung gebaut werden müsste — vielleicht sogar zwei — und dies auch geschehen würde, einschließlich der Aufstellung der dazu erforderlichen zusätzlichen Signale. Ihre Überlegung, statt mit einer Totalsperrung nur mit zeitweisen Sperrungen zu arbeiten — wie oft und wie lange die ausfielen, sei zunächst mal dahingestellt –, geht aber in die richtige Richtung.
      Nachdem unsere im Beitrag angekündigte Nachforschung in Bezug auf eine Baualternative ohne Totalsperrung gemacht ist und uns Folien eines Informationsvortrags der DB-Projekt Stuttgart-Ulm GmbH zu ihrem Vorschlag vorliegen, wird in den nächsten Tagen erneut ein Beitrag mit kritischer Betrachtung des Themas folgen. So viel kann ich jetzt schon sagen: Die Lösung mit Totalsperrung über ca. 12 bzw. 14 Monate drängt sich — entgegen der Meinung der DB PSU — in wirklich keiner Weise als bessere Alternative auf.

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