Am 13.4.2016 fand im Sitzungssaal des Verbands Region Stuttgart in der Kronenstraße im Rahmen einer Verkehrsausschuss-Sitzung der mittlerweile bereits vierte S-Bahn-Gipfel statt. Die DB Regio, DB Netz, DB Station&Service und der VVS berichteten über den Stand der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen zur Verbesserung der Pünktlichkeit und der Fahrgastinformation.
Die gezeigte Präsentation kann bei Interesse von ↓ HIER heruntergeladen werden. Die Presse informierte ebenfalls ausführlich. Die Berichte in StZ und StN sind nach dem Zusammenschluss der beiden Redaktionen praktisch identisch, daher hier stellvertretend nur die Beiträge der StZ:
- Vor dem S-Bahn-Gipfel in Stuttgart: Mit Vollgas in die Sackgasse
- S-Bahn-Gipfel: Vierter Anlauf für eine zuverlässige S-Bahn
- S-Bahn in Stuttgart: Bahn sieht Erfolge bei der Pünktlichkeit
- S-Bahn-Gipfel: Eigenlob der Bahn kommt nicht gut an
- Raidt schreibt: Lieber S-Bahn-Gipfel!
- Nahverkehr in Stuttgart: VCD: S-Bahn-Netz muss endlich saniert werden
Die Pünktlichkeit hat sich im Jahr 2015 zwar gegenüber 2014 nicht unwesentlich verbessert, aber nach dem Tiefstand 2014 wäre eine weitere Verschlechterung ein Offenbarungseid gewesen. Insofern ist es verfrüht, bereits jetzt von einer Trendwende zu sprechen, so wie es die DB und das Direktorium des VRS getan hat. Sowohl die Presse als auch die Regionalräte haben praktisch unisono ein solches Resumée abgelehnt. Auch aus unserer Sicht ist es erst mal nur ein Hoffnungsschimmer auf eine hoffentlich nachhaltige und für die Kunden spürbare Verbesserung der Lage in der Zukunft.
Nun einige Bemerkungen zur Präsentation von Deutscher Bahn und VVS, sowie zu den Stellungnahmen des Direktoriums des VRS und den Mitgliedern des Verkehrsausschusses:
Die DB Regio konnte mit Ihren Zahlen zwar nachweisen, dass sich die Pünktlichkeit der S-Bahn Stuttgart 2015 objektiv gegenüber dem Vorjahr verbessert hat, auf die subjektive Beurteilung durch die Fahrgäste hatte diese messbare Verbesserung keinen Einfluss. Diese fiel 2015 genauso schlecht aus wie 2014. Insbesondere die Pünktlichkeit der Linien S1, S2 und S3 ist weiterhin signifikant schlechter als bei den restlichen Linien. Mögliche Ursachen könnten sein:
- Diese Linien sind länger, da sie als Durchmesserlinien fungieren und in Schwabstraße nicht (w)enden
- Betrieb zum Teil im Mischverkehr mit Regional- und Fernverkehr auf den nur 2-gleisigen Außenästen, teilweise auch mit Güterverkehr (z.B. S1: Rohr/Böblingen – Herrenberg bzw. Plochingen – Wendlingen; S2: Schorndorf – Waiblingen; S3: Backnang – Waiblingen)
- Die Linien S1-S3 fahren mit den neuen Fahrzeugen der Baureihe 430
Der Versuch die schlechte Pünktlichkeit im Oktober allein mit dem Volksfest zu erklären klingt nicht plausibel, denn warum ist die Pünktlichkeit im April wegen dem Frühlingsfest dann nicht ähnlich schlecht?
Obwohl 3/4 aller von der DB Regio verursachten Ausfälle Fahrzeugstörungen waren, wurde dieser Punkt nicht weiter aufgeschlüsselt. Eine sinnvolle Aufschlüsselung wären Details, z.B. Bremse, Tür, Schiebetritt, etc., oder Fahrzeugtyp (423, 430) gewesen. Intern hat die DB Regio sicher diese Informationen, sie hat aber wohl kein Interesse daran sie öffentlich zu machen.
Es fiel auf, dass die DB Regio das Thema Baureihe 430 und Schiebetritt bewusst ausgespart hatte. Von der Firma Bombardier, dem Hersteller dieser neuen Fahrzeugbaureihe, war im Gegensätz zum letzten S-Bahn-Gipfel diesmal niemand anwesend. Von DB Regio war auf Nachfrage von Mitgliedern des Verkehrsausschusses zu erfahren, dass die bisherigen Erfahrungen mit der Mechanik und Elektronik der überarbeiteten Schiebetritte positiv wäre und die Umrüstung der Fahrzeuge weitergehe. Die generelle Aktivierung der Schiebetritte wird aber erst nach der Beseitigung letzter, kleinerer Softwareprobleme erfolgen.
Die DB Netz begann ihren Vortrag u.a. mit der Entschuldigung „strukturelle Ursachen bei gegebenen Rahmenbedingungen kaum beeinflussbar“, die wir so nicht unwidersprochen stehenlassen können, insbesondere dann, wenn der gemeinsame Mischverkehr von S-Bahn, Nah- und Fernverkehr, sowie ggf. auch Güterverkehr auf der selben Strecke als eine solche nicht beeinflussbare Rahmenbedingung aufgeführt wird. Herr Becker von der DB Netz hatte sich in der Vergangenheit vehement für die Realisierung des Projekts Stuttgart 21 und damit auch für eine neue Mischverkehrstrecke auf den Fildern eingesetzt. Insofern hat er die noch schlechter werdenden Rahmenbedingungen zumindest teilweise selbst mit zu verantworten.
Die von Herrn Becker aufgeführten Investitionen klingen hoch, sind aber fast komplett Betriebsaufwendungen:
- 15 Mio EUR für die Instandsetzung betriebswichtiger Anlagen
- 27 Mio EUR für die Reinvestitionen zur Bestandserhaltung
Bei den zusätzlichen Präventionsmaßnahmen in Höhe von 3,6 Mio EUR kann man darüber streiten, ob es sich hierbei um eine echte Investition handelt. Lediglich der Neubau der Weichendiagnose (2,4 Mio EUR) ist unstrittig eine Investition, die über den bisherigen Betrieb hinausgeht.
Die DB Netz hat Ende 2015 damit begonnen alle für die S-Bahn Stuttgart betriebsrelevanten Weichen mit einem Weichendiagnosesystem auszustatten. Bis Mitte April 2016 waren 17 Tunnelweichen mit dem Weichendiagnosesystem ausgestattet. Ob damit alle Tunnelweichen gemeint sind, ist unklar. Es ist aber davon auszugehen, dass zuerst alle Tunnelweichen mit dem Diagnosesystem ausgestattet werden, bevor auch die restlichen Weichen an die Reihe kommen. Störungen an Tunnelweichen sollten somit hoffentlich bald der Vergangenheit angehören. Zumindest hoffen wir sehr, dass die DB Netz das Weichendiagnosesystem nicht deshalb einführt, um die präventive Weichenwartung nur noch dann durchzuführen, wenn die Diagnosesoftware eine Unregelmäßigkeit meldet.
DB Station&Service berichtete von einer geplanten neuen Zughaltemarkierung in den 4 Stationen des Stammstreckentunnels. Dadurch sollen wartende Fahrgäste besser erkennen können, wo einfahrende Züge entsprechend ihrer Länge halten werden. Die DB erhofft sich dadurch einen schnelleren Fahrgastwechsel und somit kürzere Haltezeiten.
Diese neuen Zughaltemarkierungen bringen aber nur dann etwas, wenn die wartenden Fahrgäste auch mitbekommen, was für ein Zug (Kurzzug, Vollzug, Langzug, d.h. 1, 2 oder 3 Wagen) als nächstes einfahren wird. Die derzeit vorhandenen blauen Anzeigen an den Decken mit den ‚Mäuschen‘ (DB-Regio-Jargon) sind zu klein und in viel zu großem Abstand zueinander angebracht. Mehr und/oder größere Anzeigen sind notwendig, ggf. auch Ansagen mit diesen Informationen. Außerdem sollte auch noch eine Langzugmarkierung (Beginn Ende) aufgebracht werden, auch wenn Langzüge immer den Bahnsteig auf der gesamten Länge benützen. Solange aber der wartende oder auf einen Zug eilende Fahrgast nicht mit einem Blick erkennen kann, wo Anfang und Ende des gesamten Zuges und im Idealfall sogar der einzelnen Zugteile (Stichwort: Mehrzweckabteile) des demnächst einfahrenden Zugs liegen, bleibt das Flickschusterei. Daher unser Vorschlag, an den Tunnelwänden der Stationen dynamische Leuchtanzeigen unterzubringen, mit denen Anfang und Ende (im Idealfall jedes Zugteils) des einfahrenden Zuges angezeigt werden.
Für mobilitätseingeschränkte Personen ist es äußerst wichtig vorab verlässlich zu wissen, ob der Aufzug an der genutzten Station funktioniert. Den Twitteraccount (DB LiftBot), der bundesweit meldet wenn Aufzüge kaputt gehen oder wieder funktionieren, halten wir in diesem Zusammenhang für nutzlos. Man braucht keine Informationen über Aufzüge in Bremen, wenn man in Stuttgart ist. Wenn ich heute in Stuttgart einen Aufzug brauche, der seit 4 Wochen defekt ist und dessen Ausfall „bis auf Weiteres“ vor 3 Wochen vom DB LiftBot getwittert wurde, hilft mir das nicht. Eine verlässliche Live-Abfrage wäre viel sinnvoller und wird hoffentlich bald verfügbar sein.
Ab 2018 will die DB das Erscheinungsbild der Stationen im S-Bahntunnel verbessern. Dies soll u.a. durch dunkle Decken und eine indirekte Beleuchtung erreicht werden. Merkwürdig, dass man bei den S-Bahn Tunnelstationen ohne Tageslicht die Decken schwarz streichen will, aber bei den Bildern vom zukünftigen S21-Tunnelbahnhof selbst das Gleisbett weiß sein soll, die Bahnsteige und Decken sowieso.
Der VVS hatte bereits beim 3. S-Bahn-Gipfel 2015 angekündigt, dass er aufgrund der schlechten Pünktlichkeit der S-Bahn damit beginnen wird, zusätzliche 5-Minuten-Puffer zur Anschluss-Sicherung in die VVS-Fahrpläne einzubauen. Diese Maßnahme wurde mittlerweile in Teilen des VVS-Gebiets umgesetzt und wird auch 2016 weiter fortgeführt. Daran ist zu erkennen, dass auch der VVS den von der DB Regio kommunizierten Pünktlichkeitsverbesserungen bei der S-Bahn (noch) nicht traut.
Das wieder vorgestellte Thema „Kunden informieren Kunden“ ist schon sehr alt. In der aktuellen VVS-App ist davon noch nichts zu sehen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine kleinen, nicht öffentlichen Test. Wir sind sehr gespannt wie sich dieses Feature bewährt und wie man einen Missbrauch dieses Informationskanals verhindern will. Vermutlich ist eine vorherige Registrierung erforderlich, bevor man Informationen ins System einstellen kann.
Das Direktorium des VRS würdigte die Pünktlichkeitsverbesserung bei der S-Bahn Stuttgart als Schritt in die richtige Richtung und Trendwende. Bezüglich der Verwendung der von der DB zu leistenden Strafzahlung aus dem Jahr 2015 in Höhe von knapp 2,5 Mill. EUR schlug das Direktorium vor, diese für die Aufteilung einer langen Blockstrecke zwischen Stuttgart Vaihingen und Schwabstraße zu verwenden um so die Leistungsfähigkeit der Stammstrecke zu erhöhen.
Erstaunlicherweise war sich der VRS Verkehrsausschuss über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg einig, dass die Verringerung der Signalabstände zwischen den Haltestellen Schwabstraße und Stuttgart-Vaihingen sofort (und nicht wie die DB meinte erst mit der Inbetriebnahme von Stuttgart 21) umgesetzt werden sollte, weil die Maßnahme laut eines Gutachtens des Verkehrswissenschaftlichen Instituts (VWI) die Leistungsfähigkeit der Stammstrecke zwar etwas erhöht, dass eine solche Investition in die Infrastruktur aber nicht die Aufgabe des Verbands Region Stuttgart sei. Die Strafzahlungen aus dem Jahr 2015 sollten daher besser an anderer Stelle investiert werden, z.B. in die Finanzierung der 10 neuen Fahrzeuge. Ob die leistungssteigernde Maßnahme nun allein auf Kosten der Bahn realisiert wird, steht somit erst mal in den Sternen.
Außerdem zeigten sich die Mitglieder des VRS Verkehrsausschusses darüber einig, dass von einer Trendwende noch keine Rede sein kann. Es müsste von Seiten der DB weitere Anstrengungen unternommen werden um die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der S-Bahn Stuttgart wieder auf ein attraktives Niveau zu heben. Immerhin ist man noch weit von den vertraglich festgelegten Zielwerten entfernt.
Auch wurde deutlich, dass ein S-Bahn-Gipfel pro Jahr für den Informationsaustausch zwischen VRS Verkehrsausschuss und der DB viel zu wenig ist. So bemängelte z.B. die Fraktion der Grünen, dass die vor einem Jahr geforderte detaillierte Analyse des Störungsmanagements bei einem aufgetretenen massiven Oberleitungsschaden nicht durchgeführt oder zumindest das Ergebnis nicht kommuniziert wurde. Die Mitglieder des Verkehrsausschusses bemängeln auch zu recht, dass die Präsentation der DB und des VVS erst unmittelbar vor der Vorstellung in ausgedruckter Form verteilt wurde, so blieb keine Zeit sich angemessen darauf vorzubereiten.