Am 25. Juni 2014 fand die 47. VRS Verkehrsausschuss-Sitzung statt, die zumindest zum TOP 1 „Pünktlichkeits- und Qualitätsoffensive bei der S-Bahn sowie Bericht zum aktuellen Stand der Ausstattung der S-Bahn-Stationen mit Videokameras“ öffentlich war. Der Tagesordnungspunkt ist Anträgen der SPD Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN zu verdanken, die nach der Sondersitzung des Verkehrsausschusses zur S-Bahn-Qualität vom Oktober 2013, dem sogenannten S-Bahn Gipfel, die von der Bahn angekündigten Maßnahmen nicht aus dem Blick verlieren wollten.
Ich bin der Meinung, dass die Pressemitteilung des VRS den Verlauf der Sitzung recht gut wiedergibt. Sie verlinkt auch auf die Sitzungsvorlage, die Präsentation der Bahn, sowie die Pressemitteilung jeweils als PDF, sodass ich im folgenden nur einen kurzen Überblick über die Sitzung gebe und mich ansonsten auf meine Kommentare zur Sitzung beschränken werde.
Etwa eine Stunde lang trugen verschiedene Vertreter diverser Bahntöchter, ein Vertreter des VVS und der Deutschland-Chef des Zugherstellers Bombardier den Stand ihrer Bemühungen vor. Dabei wurde recht schnell klar, dass die Vortragenden zumindest den Eindruck vermitteln wollten, dass in den letzten Monaten viel Geld investiert und viel Aufwand betrieben wurde, diese Aktivitäten sich noch 1-2 Jahre hinziehen werden, bis das Geplante komplett umgesetzt und wirksam sein wird. Herr Krause von der S-Bahn Stuttgart sprach am Ende zwar noch nicht von einer Trendwende, aber immerhin von einer Stabilisierung und versuchte das anhand von aktuellen Pünktlichkeitswerten zu belegen
Danach folgten eine weitere Stunde Wortmeldungen der einzelnen Fraktionen. Kritik gab es wie nicht anders zu erwarten von den Grünen, der SPD, den Linken und erstaunlicherweise auch von der CDU. Deren Vertreter machte auf mich den kompetentesten Eindruck und legte den Finger in die richtigen Wunden. Die Kritik der Grünen hingegen war mir zu unkonkret und der Vorschlag einzelne S-Bahnzüge in der HVZ regelmäßig über den Kopfbahnhof zu leiten nicht zielführend. Die FDP und die FW hingegen nahmen die Bahn in Schutz und warnten davor die S-Bahn Stuttgart schlechtzureden. Im Vergleich zu S-Bahnen in manchen anderen Städten wäre die Lage doch gar nicht so schlecht.
Obwohl ich die Maßnahmen der Bahn durchaus für geeignet halte die Probleme zu entschärfen, zählt für mich letztendlich nur, ob sie messbare oder noch besser spürbare Erfolge zeigen. Mir ist klar, dass die Bahn die von uns selbst ermittelten Pünktlichkeitswerte in Zweifel zieht, deshalb nutze ich im folgenden lediglich offizielle, von der Bahn veröffentlichte Zahlen.
Die von der Bahn auf den letzten Folien ihrer Präsentation vorgelegten Pünktlichkeitsverbesserungen vergleichen das erste Halbjahr 2013 mit dem 1. Halbjahr 2014. Normalerweise veröffentlicht die Bahn die Pünktlichkeitswerte eines Monats erst zur Mitte des Folgemonats. Die Zahlen des 2. Halbjahrs 2014 enden laut Folienvermerk in KW 24. Nach diesen Zahlen kann die Bahn Pünktlichkeitsverbesserungen von 0,4 – 2.8 % bei sämtlichen Werten verbuchen.
Was auf den ersten Blick schon wie eine Trendwende aussieht, entpuppt sich bei genauerer Analyse als eine geschickte Mogelpackung, die leider keinem der anwesenden VRS-Mitglieder auffiel. Stellt man die entsprechenden monatlichen Pünktlichkeitswerte grafisch dar, ergibt sich folgendes Bild:
Man erkennt auf einen Blick, dass die Pünktlichkeitswerte im Juni 2013 miserabel waren und dass sich die Werte von 2014 nicht wesentlich von denen aus dem Jahr 2013 unterscheiden. Grund für die schlechten Werte im Juni 2013 waren die Züge der neuen Baureihe 430, die im Juni (und auch schon davor) mehrfach wegen klemmender Schiebetritte liegengeblieben waren, was für massive Verspätungen, teilweise auf allen Linien führte. Aus diesem Grund wurden diese Züge Anfang Juli aus dem Verkehr gezogen, wonach die Pünktlichkeitswerte sofort wieder nach oben schnellten.
Vergleicht man stattdessen nur die ersten 5 Monate der Halbjahre miteinander, ergibt sich ein anderes Bild. Bei der 3-Minuten-Pünktlichkeit ist der Wert 2014 auf dem Niveau von 2013 und bei der 6-Minuten-Pünktlichkeit sogar 0,3 % schlechter.
Machen wir uns also nichts vor:
Bis zu einer messbaren Verbesserung der Pünktlichkeit der S-Bahn Stuttgart ist es noch ein weiter Weg, und messbar heißt noch lange nicht spürbar. Ob die Anstrengungen und Investitionen der Bahn ausreichen um eine Trendwende auszulösen wird die Zukunft zeigen. Und in dieser wartet spätestens mit der Wiederinbetriebnahme der überarbeiteten Schiebetritte der neuen Baureihe 430 ein Faktor, der das System S-Bahn Stuttgart erneut negativ belasten wird. Selbst falls die Tritte problemlos ihren Dienst verrichten sollten, werden sich die Haltezeiten auf den Linien S1-S3 erneut verlängern.
Der aktuelle Slogan der S-Bahn Stuttgart lautet „Jede Sekunden zählt„.
Das ist zwar richtig, gilt jedoch auch in die andere, nicht beabsichtigte Richtung.